Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
kein Wort! Wieder sah er auf Olivier, von dem er genau wusste, dass er in Hagelstein nichts als einen Verräter sah.
Doch der Freund zuckte nur wie unbeteiligt die Achseln. „Deine Angelegenheit!“, brummte er.
Damian fasste sich ein Herz. „Wie sicher seid Ihr Euch eigentlich, Herr von Hagelstein, dass sich das Tor in jener Kapelle befindet?“
„Warte es ab. Du wirst die Augen aufreißen, wenn du das Kirchlein betrittst.“
„Das habe ich Euch nicht gefragt, aber ich verstehe. Und das Rätsel?“, fragte er ins Blaue hinein, ohne den Narren aus den Augen zu lassen. „Habt Ihr das ebenfalls gelöst? Es gibt drei Tore, wenn zwei geschlossen sind ...“
Sofort spürte er, wie Hagelstein unsicher wurde, wie er auf der Stelle trat.
Sichtlich gereizt stand der Narr auf und begab sich zum Ausgang. „Da ich das Tor nicht fand, gab es für mich auch kein Rätsel zu lösen. Aber ich bin mir sicher, gemeinsam werden wir es finden.“ Er nestelte an seinem Gewand herum und zog ein goldenes Kruzifix hervor. „Hier“, sagte er, „das soll ich dir aushändigen. Es gehört dem Herrn von Pecaire. Verliere es nicht aus den Augen. Es ist dein Erkennungszeichen, eine Sicherheit für ihn, dass du der Richtige bist. Aber nun genug geredet. Ich muss mich jetzt um die Pferde kümmern. Packt eure Sachen. In der Nacht reiten wir los.“ Mit diesen Worten eilte er auffällig schnell hinaus.
„Packt eure Sachen!“, machte Damian es ihm nach, dann sprang er jäh auf, rannte zum Kübel hinaus und übergab sich.
Als er zurückkehrte, lag Olivier zusammengekrümmt und mit geschlossenen Augen auf seinem Bett.
„Du kommst mir vor wie einer der Jünger am Ölberg“, zischte Damian. „Was ist los?“
„Der Narr sollte wieder seine Schellenkappe tragen!“, brummte Olivier.
„Stimmt. Er ist verrückt. Erst behauptet er, das Tor gefunden zu haben, dann hat er es doch nicht gefunden. Er bringt unsere ganzen Pläne durcheinander!"
"Was willst du, er handelt im Auftrag der Gräfin!“, warf Olivier ein, ohne die Augen zu öffnen. „Und jetzt lass mich in Ruhe. Schließlich haben wir heute keinen Dienst abzuleisten.“
„Ausgerechnet du nimmst ihn in Schutz?“
„Ich sage nur wie es ist; das bedeutet nicht, dass ich nicht weiter auf der Hut vor ihm bin.“
„Und wenn es dieses Tor gar nicht gibt? Oder es jemand bereits entdeckt und ausgeraubt hat? Sancha wird mich aufknüpfen lassen, mich - nicht den Narren! Und meine arme Mutter ...“
„Je nun! Was hat denn deine arme Mutter damit zu tun?“
„Also, sie stünde mit einem Mal als Lügnerin da.“
„Sie stünde als ...“ Olivier verstummte mitten im Satz, dann sprang er auf. „Himmel, du hast vielleicht Sorgen. Sie sitzt im Loch! Keiner von uns denkt daran, ihr was Schlechtes nachzusagen. Also, ich hab`s mir überlegt. Ich packe. Ich überlasse es dem Narren nicht, den Schatz im Alleingang zu heben.“ Er eilte zur Truhe hinüber, zog zwei Bruchen, zwei Hemden, Beinlinge, wattiertes Zeug und das lederne Wams heraus.
Damian blieb mit angezogenen Beinen auf seinem Bett sitzen, vor sich das goldene Kruzifix. Eine schöne Arbeit, dachte er bei sich, während er über den geschundenen Leib Christi strich, über seine Dornenkrone, an der sich auch kleine Blätter befanden, seinen rechten Arm, die Hand, die nach oben wies … In der Handfläche fühlte er etwas Raues. Damian betrachtete sich die Sache näher. Eine Gravur. Eine römische Neun? Hatte sich der Goldschmied dort verewigt? Neugierig betrachtete er sich die andere Hand, die – wirklich seltsam! - nach unten gerichtet war. Und dort entdeckte er eine eingeritzte Zwölf …
„Was glotzt du denn wieder wie ein Hamster?“, knurrte ihn Olivier an.
Damian legte das Kruzifix beiseite. „Ach, das alles ist ein großes Wirrsal!“
Da schmetterte der Freund mit einem Aufschrei das Bündel, das er gerade gepackt hatte, auf den Boden. „Wirrsal?!“, rief er und begann, wie verrückt im Kreis herumzutanzen. „Wirrsal!“ Dann trat er auf Damian zu. „Ich sag dir, was los ist! Du hast die Bruche gestrichen voll. Das ist es. Dabei bist du fein raus. Auch wenn es keinen Schatz gibt, gehören dir die Burg und die Ländereien dieses Mannes - wie auch sein Rubin am Zobelhut. Und jedermann weiß, dass Eigentum um ein Vielfaches besser ist als ein Lehen. Also hör endlich auf, dich selbst zu bemitleiden. Denk an deine Mutter und an Villaine. Wo sollen sie denn hin, wenn wir sie befreit haben? Vielleicht zurück nach
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