Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
bekreuzigte sich, murmelte ein Gebet.
Sancha kniete ebenfalls nieder. Und obwohl sie das Heilige Tuch bereits ausgiebig in Augenschein genommen hatte, war sie erneut ergriffen vom edlen, jedoch gezeichneten Antlitz des Gekreuzigten. „Das Tuch trägt sowohl die Spuren seines heiligen Blutes“, sagte sie leise, „als auch die seiner göttlichen Heiligkeit.“
Montfort atmete laut.
Sancha ließ ihm Zeit. Nach einer schicklichen Weile gab sie die Anweisung, die Reliquie wieder achtsam zu falten und zurückzulegen.
Endlich erhob sich Montfort. "Im Namen des Gekreuzigten“, sagte er, seltsam heiser, „wer hat Euch das Gesichtstuch Jesu überlassen, Madame?“
„Nicht mir wurde es anvertraut“, antwortete sie, „sondern dem Jungritter Damian von Rocaberti. Er steht in meinen Diensten.“
Erstaunt hob der Graf die Brauen. "Der Sohn des Fürstbischofs von Cahors?“
Damian trat einen Schritt vor und verneigte sich.
„Ich habe deinen Vater gekannt“, sagte Montfort kühl.
„Vielleicht ist es ein Zeichen Gottes, Sire“, fuhr Sancha fort, „dass das Soudarion gerade hier aufgefunden wurde, mitten in einem Land, in dem seit Jahren Christen gegen Christen kämpfen. Ich hätte es ohne Aufsehen selbst nach Rom bringen können, doch nach reiflicher Überlegung habe ich Euch rufen lassen, Graf, weil ich tief im Inneren davon überzeugt bin, dass dieses Heiligtum eine Brücke darstellt - und eine Aufforderung zum Frieden. Ich habe den ersten Schritt getan, Sire. Ihr sollt jetzt den zweiten tun - es sei denn, Ihr habt Zweifel an der Echtheit des Tuches."
"Nein, die habe ich nicht, Mad ame . Denn ich kenne das Soudarion . Ich habe es schon einmal gesehen, und zwar im Jahr des HERRN 1204 in Konstantinopel, wo es damals jeden Freitag ausgestellt wurde. Nie hätte ich damit gerechnet, dass es sich hier, in Okzitanien, befinden könnte, denn Rom wähnt es, wenn ich mich recht entsinne, im Besitz der Venezianer, die beim Überfall auf Konstantinopel eine große Anzahl wertvoller Reliquien aus der Kapelle des byzantinischen Königs an sich rafften und fortschleppten. Wer hat die Reliquie hierher gebracht und weshalb?"
"Das Soudarion befand sich fünf Jahre in der Obhut des ehemaligen Abtes von Saint-Polycarpe. Im Jahr 1209, als er von der bevorstehenden Ankunft der Kreuzfahrer erfuhr, hat er es heimlich in diese Gruft gebracht. Er befürchtete wohl, Saint-Polycarpe könne es so ergehen wie den Kirchen und Klöstern in Konstantinopel", fuhr Sancha fort, ungeachtet ihres Vorsatzes, Montfort nicht zu reizen. Doch dann, weil er so beharrlich schwieg, fragte sie ihn, ob er die Ernsthaftigkeit ihrer Friedensmission infrage stelle.
Endlich wandte er den Kopf und sah ihr in die Augen. "Nein, Madame, das tue ich nicht. Indes steht es nicht allein in meiner Macht, Frieden mit Toulouse zu schließen. Ich kann Euch nur einen längeren Waffenstillstand anbieten. Übergebt Ihr mir das Heilige Tuch zu treuen Händen, verspreche ich Euch jedoch, Euer Anliegen noch in diesem Frühling vor den Papst und den König zu bringen und mich für Eure Mission zu verwenden.“
Sancha schluckte. Sie hatte längst einen Vertrag vorbereitet, doch an den König nicht gedacht. Ein Fehler? Und sollte sie jetzt, nachdem das Gespräch soweit gediehen - oder besser festgefahren war - die Tempelritter ins Spiel bringen?
„Nun gut“, antwortete sie mit fester Stimme, "ich bin bereit, Euch das Soudarion zu übergeben. Aber nicht heute. Ich will zwei Briefe aufsetzen, einen für den Heiligen Vater, den anderen für König Philipp, um mein Anliegen mit eigenen Worten zu untermauern."
Montfort nickte. „Einverstanden. Und wann kann der Austausch stattfinden?"
"Sobald die Gefangenen hier eintreffen, Graf. Ich pflege mein Wort zu halten“, sagte sie mit fester Stimme. „Eines noch, Sire: Solltet Ihr mit dem Gedanken spielen, Soldaten mitzubringen, um mir das Soudarion gewaltsam zu entreißen, wird es erneut auf Jahre verschwunden sein.“
Wieder verging eine Zeitspanne, bis Montfort antwortete. „Madame, auch ich pflege mein Wort zu halten. Binnen einer Woche sollte es mir möglich sein, Euch Alix von Rocaberti und den Spielmann Villaine zu überstellen."
„Aber es war die Rede von drei Personen.“
" Alors , dann biete ich Euch Gondran an, Villaines Kumpan.“
Augenblicklich beschlich Sancha ein ungutes Gefühl. Obendrein vernahm sie von oben Pferdewiehern und sie wusste nicht, was los war. Der Knecht hatte Montforts Rösser doch in den Stall
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