Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
War nun auch Falk verrückt geworden? Oder gedachte er auf diesem Weg sich an Pons zu rächen?
Als erstmals Oliviers Schwert an Pons Rüstung abglitt, taumelte das Vogelgesicht zwar kurz, doch dann lachte der Ritter frech auf und schlug zurück. Hin und her krachten die Schwerter. Olivier schien tatsächlich für zwei zu kämpfen, obwohl er von Grazides Tod nichts wusste. Oder hatte der Narr sich ihm inzwischen anvertraut?
Als Pons zunehmend an Boden gewann und Olivier nach einem vielleicht zehnmaligen Waffenschlag erneut seines Schwertes verlustig ging, gab er noch immer nicht auf, sondern sprang, obwohl seine Wange längst einen bösen, klaffenden Schnitt aufwies, Pons an die Gurgel.
Auf ein empörtes „Ho-ho!“ griffen zwei Ritter ein. Sie schnappten sich Olivier, drehten ihm die Arme auf den Rücken und droschen mit den Fäusten auf ihn ein. Und nun floss viel Blut.
„Ein schönes Früchtchen bist du, Termes!“, höhnte Pons und beugte sich über ihn. Olivier spuckte ihn an. Erst ein Tritt in den Unterleib gab ihm den Rest. Aufbrüllend brach er zusammen.
Sancha drängte sich an Falk vorbei. "Es reicht jetzt, Lizerant!", rief sie und trat vor.
Der Komtur hielt ihr die offenen Hände entgegen und forderte erneut die Aushändigung des heiligen Tuches.
Sancha vergewisserte sich bei Montfort. Der Heerführer nickte und gab den Treppenabgang frei.
Mit acht Templern im Gefolge stieg Lizerant in die Gruft hinunter.
Es dauerte eine Weile. Offenbar vergewisserten sie sich unten der Echtheit und Unversehrtheit des Soudarions.
Als sie zurückkamen, schritt Pons voran. Geradezu feierlich trug er das goldene Antlitz in seinen Händen, worauf sich wie von Geisterhand eine Gasse für die sonderbare Prozession öffnete.
Der Komtur, der ihn begleitete, verhielt vor Sancha seinen Schritt.
„Der Tempel vergisst nie etwas, Madame!“, sagte er verächtlich.
„So fahrt zur Hölle, Lizerant!“, schrie ihm Sancha hinterher, erleichtert, dass der Spuk ein Ende hatte. Der Lärm, den die Ritter machten, indem sie beim Anblick des goldenen Antlitzes begeistert auf ihre Schilde trommelten, dämpfte jedoch ihren Fluch.
Nach Montforts grußlosem Abschied zog sich Sancha in ihre Kammer zurück, wo eine verheulte und verängstigte Gala auf sie wartete. Das Mädchen hatte das brutale Eindringen der Templer vom Turm aus beobachtet. „Der Knecht“, stammelte sie, „er hat versucht, sie aufzuhalten, aber sie haben ihn in den Stall gesperrt und ...“
Sancha nickte. „Schon gut, beruhige dich. Geh nach unten, hilf Herrn von Hagelstein. Oliviers Wunden müssen versorgt werden.“
Als sie endlich allein war, ließ sie sich in dumpfer Verzweiflung aufs Bett fallen. Sie schloss die Augen. Alles in ihrem Kopf drehte sich ...
War die Hoffart zu glauben, die Welt auf ihrem Daumen tanzen lassen zu können, nicht schon als Kind ihre größte Sünde gewesen? Der Putz, mit dem sie sich nur allzu gern behängte? Das Geschmeide, das verdecken sollte, dass sie eine ... eine andere war, als alle Welt annahm? Ein Irrtumskind? Ein Kind der Sünde? Ein Bastard wie Hagelstein oder Damian?
"Bastard", sagte sie leise, "Bastard" - und dann immer lauter werdend: "BASTARD! BASTARD! BASTARD!“- bis sie zugleich lachte und weinte und sich selbst verhöhnte: Hochachtung, Sanchie, da sind deine blühenden Tage noch gar nicht vorüber, und du hast es schon geschafft, das verhasste Wort, das seit deiner Kindheit in deinem Kopf sein Unwesen treibt, in die Welt hinauszuposaunen. Nur leider hört es hier keiner!
Elf Jahre alt war sie gewesen, als ihr geliebter Vater starb. Auch ihre Mutter hatte sich sofort in ein Kloster zurückgezogen, war Nonne geworden. Das war die Zeit gewesen, in der sie, Sancha, begonnen hatte, sich regelmäßig aus dem Castillo davonzuschleichen.
Zwei Tage nach der Krönung ihres Bruders Pedro, war sie dann Zeugin eines sonderbaren Gesprächs geworden. Bei Gott, die Wände des Palastes waren eben nicht dick genug gewesen, als dass die Wahrheit - die unglaubliche! - nicht an ihr Ohr gedrungen wäre.
Mit klopfendem Herzen hatte Sancha sich anhören müssen, wie ihre Schwester in selbstgerechtem Tonfall zu Pedro sagte: "Ihr Aussehen, ihre wilde Art und vor allem ihre Wankelmütigkeit kommen vom unreinen Blut. Sancha ist die Tochter des kastilischen Gesandten, ein Bastard!"
Das hatte geklungen, als wäre sie ein räudiger Hund. Nie würde sie Leonora das verzeihen!
Pedro hatte es leichtgenommen. „Zur Sünde gehören immer
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