Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
einer Weile, „mich, der ich doch ihren Bruder im Kampf …
„Du meinst die Gräfin? An wen soll sie sich sonst wenden? Du bist der Löwe. Wer außer dir hat soviel Macht im Land! Hast du schon eine Vermutung, was die Reliquie betrifft?“
Er zuckte die Schultern. „Die Biene hat irgendwann von einer absonderlichen Geschichte erzählt, die auf dem Konzil zu Reims die Runde machte. In ihr ging es um einen Besessenen und den Heiligen Zahn des Täufers. Die Verwandten des Besessenen behaupteten, nicht der Täufer-Zahn könne ihn gesunden lassen, sondern nur der heilige Milchzahn Christi. Dieser sei nicht mit dem Leib zum Himmel aufgestiegen, sondern liege in Soissons. Und dort wurde er kurz darauf tatsächlich gefunden und zwar in der Abtei Saint-Médard - in einem kleinen Reliquienkästchen.“
„Und wurde der Mann geheilt?“
„Ich weiß es nicht. Doch ich erinnere mich, dass Amaury von einer geheimen Translationsreise sprach, einer Überführung des Reliquiars in ein anderes Kloster, wobei der Milchzahn offenbar wieder verloren ging. Tiens , es könnte sich also um diesen heiligen Zahn handeln, Elize.“ Er bekreuzigte sich. „Und so verbissen wie Amaury hinter meinem Herzogtum her ist, sammelt er auch bestimmte Reliquien, denen eine besondere göttliche Kraft innewohnt. Eines darfst du mir glauben, ma belle : Arnaud Amaury säße bereits auf seinem Zelter, hätte er Kenntnis von dem mir vorliegenden Schreiben.“
„Um sich anschließend beim Heiligen Vater in den Honigtopf zu setzen, nicht wahr? Mit dem Ziel, dass man dir Narbonne wieder aberkennt.“
Montfort lachte zynisch auf. „Mit dem Ziel, selbst Papst zu werden. Alors , die Biene sah sich schon als Knabe auf Petrus` Thron sitzen. Es würde mir gefallen, ihr zuvorzukommen. Obendrein ist es nicht weit.“
„Das bedeutet wohl, du reitest gleich morgen früh? In deinem Zustand? Und was wird dann aus Toulouse? Aus Guido, deinem Sohn und deinen Baronen? Willst du sie nicht zuvor befragen?“
Montfort schob die Unterlippe vor. „Verhandlungssache - und Zeitgewinn. Zuerst muss die Echtheit der Reliquie von Rom bestätigt werden. Aus diesem Grund bleiben auch die Gefangenen einstweilen hier. Sie sind mein Schutzschild, wenn ich morgen reite.“
Elize fasste ihn liebevoll bei der Hand. "Nun gut. Irgendwie bin ich sogar erleichtert, dass die Suche nach dem Tor ein Ende hat. Denn dass sich Christen jahrelang um einen Milchzahn balgen, kann von Gott nicht gewollt sein.“
Zwei Tage nach Hagelsteins und Oliviers Rückkehr meldete Damian vier Reiter.
Mit vor Aufregung geröteten Wangen ließ sich Sancha den mit Feh besetzten Umhang über die Schultern hängen - Gala wünschte ihr viel Glück -, dann schritt sie, begleitet von den Jungrittern über den Hof. Der Schnee knirschte unter ihren Füßen.
Montfort, im Zobel, Wappenrock und Kettenhemd, verbeugte sich vor ihr. Die beiderseitige Begrüßung verlief regelgerecht.
„Und nun, im Namen Gottes, folgt mir, Graf“, sagte Sancha so kühn es ihr möglich war, und sie wies ihm den Weg in die Kapelle.
Die dort aufgesteckten Fackeln erweckten von neuem die apokalyptischen Visionen zum Leben, doch Montfort maß dem offenbar keine Wichtigkeit bei. Vor dem ebenfalls beleuchteten Abgang zur Gruft übergab er seinen Männern Helm und Schwert und befahl ihnen, hier auf ihn zu warten. Vorsichtig stieg er die Stufen hinab.
Vor der eisernen Tür stand Hagelstein. Hier legten auch Damian und Olivier ihre Schwerter nieder.
Der Franzose trat ein. Das Brett, auf dem das Reliquiar nun stand, ruhte auf hölzernen Schragen und war mit einem weißen Leintuch bedeckt. Unzählige Öllichter, die sie in der Gruft aufgestellt hatten, brachten die starren Augen der Büste zum Leuchten.
Montfort räusperte sich und warf einen fragenden Blick auf Sancha.
„In den Tonkrügen rechts und links befinden sich Weihrauch und Myrrhe“, erklärte sie ihm in seiner Sprache.
„Nun zeigt mir den Gegenstand, Mad ame! "
Sancha machte den Jungrittern ein Zeichen. Damian beugte das Knie vor der Büste. Dann trat er hinters Brett, öffnete das Geheimfach und zog behutsam das kostbare elfenbeinfarbene Tuch heraus.
Olivier trat hinzu. Gemeinsam falteten sie das brüchig anmutende Leinen auseinander und hielten es hoch, so dass Montfort die zwar blasse, aber deutlich rotbraune Abbildung sehen konnte, die sich darauf befand.
„Bei allen Heiligen, das Soudarion !“, stieß der Graf mit heiserer Stimme hervor. Er sank auf die Knie,
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