Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
der das Zeichen zum Spannen der Bogen und Armbrüste gab. Kurz darauf durchschnitt ein Flirren die Luft und der Pfeilhagel mähte auf Anhieb nieder von zwanzig Franzosen mindestens zwölf.
Jubel brandete auf. Die erste Angriffswelle war zurückgeschlagen.
Erfolglos versuchten die Franzosen ein weiteres Mal ihr Glück. Doch erst mit der dritten Welle – die Armbrüste hatten nicht schnell genug geladen werden können – gelang es den Angreifern mittels Enterhaken und daran befindlichen Seilen die Mauer zu überwinden. Ihr Ziel war die Eroberung der beiden Holzbrücken, die über die Garonne und damit geradewegs in die Altstadt führten, sowie der dazugehörigen Brückentürme, zwei auf jeder Uferseite.
Trotz beträchtlicher Verluste drangen die Franzosen bald in großer Zahl in die Vorstadt ein. „ Tue! Tue! Tue!“ , schrien sie in den Straßen von Saint-Cyprien, um sich selbst zum Töten aufzustacheln. Die Tolosaner, die längst aus ihren Löchern heraus- und hinter ihren Barrikaden hervorgekrochen waren, droschen hingegen mit einem siegesgewissen „A lor!“ auf den Lippen auf die Angreifer ein .
Damian befand sich mitten unter ihnen. Geschickt wehrte er mit dem Schild versprengte Pfeile von sich ab und kämpfte mit dem Kurzschwert stundenlang gegen die Feinde. Nicht wenige Franzosen starben unter seinen Hieben. Am Abend wurde die Ausdauer der Tolosaner belohnt:
Die Angreifer zogen sich erschöpft bis vor die Befestigungsanlagen zurück. Die Straßen und Gassen waren nun übersät mit Toten, Verletzten und zerbrochenen Waffen. Toulouse jedoch jubelte. Tambourin und Hörnerschall erklangen. Freudenlieder und Tanz die halbe Nacht.
Auch am nächsten Tag riss die Reihe von Angriffen, Pfeilwellen, Geschosshageln und Nahkämpfen nicht ab. Am darauffolgenden jedoch entschied das Schicksal die Schlacht. Dunkle Wolken zogen heran und ein Sturm tobte endlos lange über Toulouse. Sintflutartige Regenfälle. Es goss wie aus Kübeln zwei Tage lang, währenddessen die Garonne stetig anstieg.
Verzweifelt stemmten sich die Tolosaner nun auch noch gegen den Orkan und das Wasser, das die Straßen in Schlammwüsten verwandelte, die Stiefel aufweichte und Teile der Verschanzungen wegspülte. Mit letzter Anstrengung gelang es ihnen dennoch, die Franzosen erneut hinter die Befestigungen zurückzudrängen. Kurz darauf drohte der Vorort endgültig im Wasser unterzugehen. Eine der zwei Brücken hatte es bereits erwischt.
„Lauf!“, schrien Soldaten Damian zu, nachdem sie gemeinsam mehrere Kinder und alte Leute über die verbliebene Brücke in Sicherheit gebracht hatten, „rette dich selbst!“
Damian schnappte sich den letzten Jungen aus der Schar, der sich, auf einem Findling stehend, verzweifelt ans Brückentor geklammert hatte, und hechtete mit ihm auf dem Arm über die Brücke. Die Bohlen knarzten. Mit letzter Kraft und bis fast zu den Oberschenkeln im Wasser watend, erreichte er das Ufer, wo ihm andere den Jungen abnahmen. Er hatte sich selbst noch nicht bis zu den Tortürmen hochgekämpft, als hinter ihm mit einem hässlichen Geräusch die Brücke zusammenkrachte und mit den Tolosanern, die sich noch darauf befanden, in den Fluten versank. Die Gewalt des Flusses machte eine Rettung der Leute unmöglich.
In dieser Nacht wurde nicht gefeiert, zumal der Feind jetzt unwiderruflich in der Vorstadt saß, wenn diese auch völlig überschwemmt war.
Aber wie groß war der Schreck für die Tolosaner, als am Morgen Montforts Löwenbanner von allen vier Brückentürmen wehten, diesseits und jenseits des Flusses. Mit Flößen hatte der Heerführer bei Nacht und Nebel über den tosenden Fluss gesetzt. Am Morgen des 2. Juni, nachdem ihm Elize und Fulco dreißig hochrangige Barone mit Reitern und Fußsoldaten zugeführt hatten, befahl Montfort den Großangriff auf die Altstadt von Toulouse.
Fast zeitgleich mit Elize war jedoch auch Ro ç eingetroffen, und die Stadt hatte ihrem jungen Grafen und den angeworbenen Söldnern einen begeisterten, wenn auch kurzen Empfang bereitet, denn Ramon von Foix, niemals zimperlich, drang auf sofortigen Gegenangriff. Das Getöse der schweren Kriegstrommeln ging erneut jedermann durch Mark und Bein.
Ein dramatischer Kampf setzte ein. Eisen schlug auf Eisen, Schilde zersplitterten, Körper wurden durchbohrt, Köpfe und Gliedmaßen abgeschlagen. Hornissengleich sirrten die Pfeile und Bolzen durch die Luft. Selbst die Pferde, schweißbedeckt, bissen und schlugen sich bald und zerstampften die
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