Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
Zuruf den Bolzen.
Maury selbst hatte die wichtigste Aufgabe inne, die er keinem überließ: Er bediente mit großer Sorgfalt die seitlich an der Schleuder angebrachte Rinne, die selbst geringfügigste Änderungen des Schleuderarmes ermöglichte, ohne die Mangonellus im Ganzen bewegen zu müssen. Rief ihm Sancha beispielsweise zu: „Eine Handbreit nach rechts!“, justierte Maury sofort nach.
Seit Sancha im Ausguck saß, hatte die Zahl der Treffer tatsächlich zugenommen. Bereits am zweiten Tag war es ihnen gelungen, Montforts neue "Katze" und zwei gefährliche Belagerungstürme, die hinter der inzwischen schwer beschädigten Stadtmauer gestanden hatten, zu zerstören. Dabei waren etliche Franzosen von den herabstürzenden Balken erschlagen worden. Maury – der im übrigen nicht ahnte, wer ihm da so gekonnt zu Hand ging – war voll des Lobes für Sancha gewesen.
Gebannt beobachtete sie, wie in der Nähe des breiten Grabens eine Handvoll Kreuzfahrer auf gewappneten Rössern heransprengte - und in die Reichweite der Mangonellus geriet.
Angestrengt kniff sie die Augen zusammen. Führten die Reiter nicht die rote Fahne mit sich? Die – mit dem Löwen? Himmel, war am Ende Montfort selbst gekommen, um sein Heiligtum, die zertrümmerte "Katze", zu begutachten - oder weshalb wagte er sich um diese Zeit ...
„Alles bereit?“, schrie Sancha nach draußen, während ihr das Herz bis zum Hals schlug.
„ Oc! “, dröhnte es vielstimmig zurück. "Ja!"
„Wartet noch!“
Sancha beschwor die feindlichen Ritter. „Los, ihr Franzosen“, flüsterte sie, „reitet zum Graben, ein kleines Stück noch ...“ Doch da brachte ein jäher Pfeilregen alles durcheinander: Die Franzosenpferde scheuten, stiegen hoch ... Ein Ritter ward getroffen!
"Mein Gott", stieß Sancha hervor, "er taumelt ... er stürzt in den Graben!"
Der andere, derjenige, von dem sie glaubte, dass es Montfort war, sprang ab. Das Ross am Zügel und gedeckt von den übergroßen Schilden seiner Knappen trat er an den Graben heran, bückte sich und ... Sancha trieb es den Schweiß aus allen Poren.
„Maury“, brüllte sie. Ihre Stimme überschlug sich. „Schnell! Eine halbe Handbreit nach links, nach links! Und dann Feuer! SOFORT! Hörst du!“
Ein Schnarren war die Antwort.
Mit dem Ärmel ihres schmutzigen Hemdes wischte sich Sancha übers Gesicht. Sie zählte bis sieben, hörte Maury „Feuer!“ schreien, zählte weiter, Montfort nicht aus den Augen lassend, der nun auf den Knien lag, die Arme in den Graben gestreckt, um Hilfe zu leisten … “acht, neun, zehn … ZEHN?! Wo blieb das Ächzen und Knarzen der Seile? Stattdessen … was war das? Ein Aufschrei? Komisch … Auf allen Vieren kroch Sancha zur Leiter hinüber, zog sich die wenigen Stufen nach oben. Bei Gott, niemand da! Ausgerechnet jetzt, wo Montfort nahezu im Graben saß!
Sancha tat, was getan werden musste. Sie zog den Bolzen und schrie aus voller Kehle "FEUER!"
Knirschend setzte sich der Wurfarm mit dem schweren Stein im Löffel in Bewegung ... Sancha hielt den Atem an, bis sie den Einschlag – ein gewaltiges Krachen – vernahm. Langsam kam die Schleuder zum Stillstand. Wieder sah sie sich um. Merkwürdig. Nicht einer der Beschicker war auf den Lärm hin aufgetaucht. Auch Maury und der Narr ließen sich nicht blicken. Wo steckten bloß alle?
"In Deckung, Weib!", schrie unvermittelt eine Stimme aus der Nähe.
Sie lag noch kaum auf der Erde, als schon ein Pfeil haarscharf über ihren Kopf hinwegflog. Bittere Galle stieg ihr hoch. Waren die Franzosen jetzt auch von Norden her eingedrungen?
Vorsichtig hob sie den Kopf an – und starrte geradewegs in die erschrockenen Augen des Richtmeisters, der um eines der großen Fässer lugte, die rings um die Verschanzung aufgestellt waren. „Was machst du hier oben, Weib?!“, schrie er.
Sancha kroch ein Stück zu ihm hinüber. „Was ist los? Wo sind die anderen?“
"Verrat! Ein Angriff aus dem Hinterhalt. Aus unseren eigenen Reihen!“ Maury keuchte. "Vier Tote, darunter der Blonde. Ein Pfeil hat seinen Augapfel durchbohrt. Zurück in deinen Verschlag! Sofort!“
Sancha fühlte, wie alles in ihr hart wurde. Der Blonde? Falk? Er sollte tot sein? Das war doch glatt gelogen! … Aber sie gehorchte, verzog sich indes in die finsterste Ecke der Verschanzung. Dort schlang sie die Arme um ihre angezogenen Knie und heulte. Pedro, ihr leiblicher Bruder war tot, schlimm genug. Und jetzt auch Falk? Nicht Falk, nein! Sie durfte ihn, der ihr wie ein
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