Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
erklärte er ihr leicht ungehalten.
Dennoch bohrte sie nach. „Wie meinst du das, Liebster?“
„ Tiens , Amaury und Fulco lassen keinen Schreiber oder Sekretär zu.“
„Aber weshalb denn?“
"Sie wollen keine Mitwisser, Elize! Heilige Mutter Gottes, sie lassen sogar mich überwachen; keinen Schritt kann ich mehr ohne ihr Wissen tun. Aber was dieses Verhör betrifft, so habe ich mich durchgesetzt: Zwei Weltliche und zwei Geistliche Fürsten werden daran teilnehmen!“
Als es soweit war, setzte sich Elize abseits, um die Geistlichkeit nicht zu provozieren. Zwei Wärter führten die Gefangene herein, die sich verbeugte und dann wie selbstverständlich auf der Bank für die Bittsteller Platz nahm. Aufmerksam, aber keinesfalls ängstlich, sah sie sich um.
Welch schöne Frau, dachte Elize bei sich - aber eine, die sich gern am Rande des Abgrunds bewegte. Ein schmales, gutgeschnittenes Gesicht, ausdrucksvolle Augen und ein Mund, auf den nicht nur Männer zweimal schauten. Das dunkle, fast schwarze Haar war bis auf ein paar vorwitzige Strähnen zurückgekämmt und fiel ihr als dicker Zopf weit über den Rücken. Elize war stolz darauf, ihr Weißwäsche und auch einige passable Gewänder zur Verfügung gestellt zu haben.
Weil ihr Gemahl noch in den Akten blätterte, warf sie einen Blick auf den Bischof. Fulco, das Kinn in eine der schwer mit Juwelen beringten Hände geschmiegt, saß links neben Simon und ließ keinen Blick von der Gefangenen. Der Abt von Citeaux hingegen – Simon hatte recht, er war eine besonders merkwürdige Erscheinung! - tat, als langweile er sich. Elize verzog den Mund. Die leise Verachtung, mit der Arnaud Amaury sie, die Vizegräfin von Carcassonne, begrüßt hatte, ärgerte sie noch immer.
Weshalb zögerte Simon den Beginn des Verhörs hinaus? Wollte er die Prälaten ärgern?
Überhaupt wunderte sich Elize über ihren Mann. Obwohl sie davon überzeugt war, ihn durch und durch zu kennen - ja, vielleicht besser als sich selbst - gab er ihr seit seiner Rückkehr vom Feld Rätsel auf. Vor allem erstaunte es sie, dass er so leicht erregbar war. In jeder Hinsicht. Selbst in ehelichen Dingen. Jede Nacht kam er zu ihr. War jedoch seine Leidenschaft gestillt, erhob er sich schon einen Atemzug später, um vor dem Kruzifix zur Muttergottes zu beten. Das hatte er früher nie getan. Es war – ja, Elize konnte es sich gar nicht anders erklären - es war, als schämte er sich mit einem Mal für seine leiblichen Begierden, die doch von Gott für alle Menschen so trefflich eingerichtet worden waren.
Elize ließ ihn nicht aus den Augen: Auffällig ruhig saß Simon auf seinem erhöhten Stuhl. Doch an der Haltung seiner Schultern erkannte sie die große Anspannung, unter der er stand. Unvermittelt flog sie eine Hitze an, die nichts mit ihrem Alter zu tun hatte, sondern ... ja, mit dem sicheren Gespür einer von Herzen liebenden Gemahlin. Grundgütiger Himmel, dachte Elize erschrocken, hatte der gute Simon am Ende ... Gefallen an der Rocaberti gefunden? Er kannte sie von vor zwei Jahren. Elizes Atem ging schneller und in ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Aber weshalb machte er sie dann ständig schlecht? „Sie ist eine Schlange, ein süßes Gift, eine mit Honig bestrichene Klinge, die sie jedem ins Herz stößt, der sich ihr nähert ...“, hatte er erst in der letzten Nacht über diese Frau gesagt. Ertränkte er seine Gefühle für die Ketzerin in einem großen Fass mit Gülle? Flüchtete er deshalb nach dem Beischlaf zur Gottesmutter, um seine unanständigen Wünsche zu beichten? Seinen ... geistigen Ehebruch? Es konnte gar nicht anders sein! Das war so verwirrend, entehrend, schamlos. Nun wusste sie auch, weshalb er sie, Elize, zum Verhör dazu gebeten hatte. Sie sollte seine Leidenschaft für diese Frau durch ihre Anwesenheit gewissermaßen zulassen. Simon wollte, dass sie es wusste ...
Elize richtete sich tapfer auf, atmete tief durch. Nun, wenn die Madonna vergab, so konnte auch sie vergeben!
Alix von Rocabertis Brust hob und senkte sich ebenfalls viel zu schnell. Dennoch hatte sie sich gut in der Gewalt, denn ihre schmalen Hände lagen völlig ruhig in ihrem Schoß. Nach dem Verlust ihres Landgutes - ein Aufhebens um nichts, fand Elize - und dem Verschwinden ihres Sohnes, was man ihr erst gestern mitgeteilt hatte, musste es eigentlich in ihrer Seele wie im Vorhof der Hölle brennen. Im andern Fall wäre sie … eine mère dénaturée, wie man in Paris dazu sagte .
Endlich räusperte
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