Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
Montfort, ohne auf die Fragen einzugehen. „Ihr seid eine kluge Frau, wisst, dass es verschiedene Mittel und Wege gibt, Euch die Wahrheit zu entlocken. Kommen wir jetzt zur Sache. Wo befindet sich jenes Schmuckstück, das Euch Euer Vater wenige Tage vor seinem Tod übergab?“
„Antwortet!“, blaffte Fulco.
Die Gefangene nickte. „Nun, ich danke Euch, Graf von Montfort, dass Ihr mir endlich gesagt habt, wonach Ihr in Wirklichkeit Ausschau haltet. Beantworten kann ich Euch diese Frage indes nicht, ja, ich müsste sie im Gegenteil Euch stellen, denn das goldene Rad ist schließlich nicht Eigentum der Kirche, sondern ein Teil meines Erbes.“
„Erklärt Euch näher!“
„Das will ich gerne tun, Graf. Wie Ihr wisst, befand ich mich seinerzeit unter denjenigen, die auf Anordnung des Abtes von Citeaux“ - sie wies auf Amaury - „Carcassonne im Hemd verlassen mussten. Ich habe meine gesamte Habe zurückgelassen, meine Gewänder, meinen Schmuck, alles!"
„Wo - ist - das - Rad?“ Wie die Hammerschläge beim Schmied kamen die Wörter aus Fulcos Mund.
„Ich legte es zusammen mit anderen Schmuckstücken auf meine große Truhe, sichtbar für jeden, der nach meinem Weggang mein Gemach betrat. Wenn Ihr selbst es nicht gefunden habt, Sénhors, so befragt Eure Barone, Ritter und Priester, allen voran diejenigen, deren Augen so begehrlich leuchteten, als sie uns in Scharen und halbverdurstet aus der Stadt jagten.“
Elize beobachtete, wie die Prälaten mit einem Mal unruhig wurden. Sie wollte es nicht, aber sie fühlte sich plötzlich erneut mit der jungen Frau verbunden. Dafür, dass Simon sich fleischlich zu ihr hingezogen fühlte, konnte sie schließlich nichts. Nein, die Rocaberti spielte nicht die mädchenhafte Unschuld. Sie meinte, was sie sagte. Eine derart lebenserfahrene Frau wie sie, Elize, spürte sofort, wenn eine andere etwas verbarg.
Schon kam die nächste Frage: „Was wisst Ihr über das Tor der Myrrhe?“
„Das Tor der ... Myrrhe?“ Die Rocaberti lachte ungläubig auf. „Ich sehe es Euch nach, Graf, Ihr seid aus dem Norden, aus der Gegend um Paris, wo man diese Legende offenbar nicht kennt. Hierzulande weiß es jedes Kind: Das Tor der Myrrhe existiert einzig in den Köpfen der einfachen Leute, wie auch die beiden anderen Tore, das Tor des Goldes und das Tor des Weihrauchs. Es gibt sie in Wirklichkeit nicht.“
Amaury hüstelte auffällig, doch Montfort überging ihn. „Euer Vater, Wilhelm von Montpellier“, fuhr er fort, „der nachweislich nicht aus dem Pöbel stammte, hat auf dem Totenbett von diesem Tor gesprochen. Für ihn hat es existiert. Wer war außer Euch seinerzeit noch anwesend? Eure Schwester Inés? Eure Stiefschwester Marie? Eure Brüder?“
Alix schüttelte den Kopf. „Nur meine Mutter Agnès, dann Pater Nicolas und Bartomeu, der Erzbischof von Cahors. Aber Ihr unterliegt einer falschen Aussage. Von diesem Tor war zu keiner Zeit die Rede, Graf, bei meiner Seele nicht.“ Sie bekreuzigte sich. „Allerdings ...“ - fuhr sie fort, „ganz ausschließen kann ich es dennoch nicht, denn als es meinem Vater plötzlich sehr schlecht ging, schickte man mich hinaus. Wenn er also tatsächlich über dieses Tor sprach, dann muss er es während meiner Abwesenheit getan haben. Andererseits befand er sich seit Tagen im Fieberwahn. Was das bedeutet, muss ich Euch nicht erklären, Graf.“ Sie bekreuzigte sich abermals.
„Weiter. Hat Euch Euer Vater je aufgefordert, ihm aus der Offenbarung des Johannes, der Apokalypse, vorzulesen und wenn ja, um welches Kapitel ging es dabei?“
„Das ist richtig, Graf von Montfort. Verzeiht, dass ich darauf vergaß. Ich las seinerzeit sehr oft meinem Vater aus der Heiligen Schrift vor. Doch überließ er die Auswahl der Kapitel stets Pater Nicolas. Unser Pater ... nun, er starb eines scheußlichen Todes. Friede seiner Asche. Er hätte Euch gewiss weiterhelfen können.“
„Habt Ihr Eurem Sohn je aus der Apokalypse vorgelesen?“
Entschieden schüttelte sie den Kopf. „Graf von Montfort, wie Ihr wisst, erlaubt die Heilige Mutter Kirche Laien das Lesen der Bibel nicht, es sei denn, ein Priester ist anwesend, wie es in Montpellier der Fall gewesen war. Mein Sohn hätte in Saint Polycarpe auf sein späteres Leben als Kleriker vorbereitet werden sollen. Und nun ist er verschwunden. Ich bin wirklich in großer Sorge um ihn. Warum offenbart Ihr mir nicht, was im Kloster vorgefallen ist? Ist Euer Herz denn so hart? Habt Ihr nicht selbst Kinder?“ Für einen
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