Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
bekannt“, fuhr sie fort, „dass der Junge ein Bastard des Erzbischofs von Cahors ist.“ Sie bekreuzigte sich. „Nun, eine Schmach löst bekanntlich die nächste ab. Andererseits hätte sich die freche Alix schon im Lez ersäufen müssen, um ihrem Schicksal zu entgehen. Die Schuldige war ihre Mutter. Agnès, das Kebsweib. Zuerst hat sie selbst die Beine vor dem Erzbischof breit gemacht, dann hat sie ihm ihre Tochter zugeführt. Verschachert. An den Hof von Cahors. Obwohl Alix eigentlich dem Trencavel versprochen war. Nun, mich, ihre Stieftochter, hasste Agnès noch mehr. Mit elf Jahren war ich bereits Witwe. Mit fünfzehn ging ich auf ihr Betreiben, denn sie wollte mich unbedingt loswerden, die zweite Ehe ein. Doch als ich am Morgen im Hochzeitsbett die Augen aufschlug, musste ich erfahren, dass der Graf von Comminges, dieser Hurensohn, bereits zwei Ehefrauen hatte! Dieses elende Schwein, dieser … dieser … dieser ...“
Je mehr die Königin trank, desto unglücklicher wurde sie, und ihre Wortwahl passte sich ihrem Zustand an. Vergeblich versuchten Leonora und Sancha sie zu beruhigen.
„Lasst mich doch ausreden!“, fuhr sie sie ungehalten an. „Und hier in Zaragoza, da nahm mir der HERR die Tochter“ - wieder schlug sie das Kreuz - „und mein sauberer Gemahl den Sohn.“ Sie schluchzte laut auf.
Als Leonora von der einen und Sancha von der anderen Seite aus besänftigend auf sie einwirken wollten, blieb Sancha mit dem Ellbogen am Weinkrug hängen und fegte ihn zu Boden. Die Karaffe zerbrach in Tausend Stücke und eine Lache, schwarz wie geronnenes Blut, breitete sich auf den buntbemalten Steinfliesen aus.
„So ungelenk wie früher, Do ñ a Sancha!“, herrschte Marie sie an, „Ihr habt offenbar noch immer nicht gelernt, Euch wie eine Dame zu bewegen!“
Sancha, selbst erschrocken über ihr Missgeschick, sprang auf, um die Pagen zu rufen, doch Marie schrie ihr hinterher: „Es ist Euer Ungemach, also schickt nach Eurem Narren. Mag er es aufwischen!“
Sancha verharrte reglos noch vor der Tür. Dann drehte sie sich um: „Weder ich noch der cavaller von Hagelstein zählen zu Eurem Gesinde, Königliche Hoheit! Gute Nacht!
Mit diesem Gruß war sie hinausgestürzt.
Als erste Gerüchte besagten, die Königin liege im Sterben und Leonora nicht zurückkam, eilte auch Sancha nach oben. Eine Traube von Bediensteten belagerte den Flur vor Maries Gemächern und stob bei ihrem Anblick auseinander. „Lasst mich durch!“, befahl sie den Wachsoldaten, die mit überkreuzten Lanzen die Tür schützten. Entschlossen trat sie ein, doch schon auf der Schwelle schlug ihr ein säuerlicher Geruch entgegen, eine ekelhafte Mischung aus Wein und Erbrochenem. Die schweren Bettvorhänge waren zurückgezogen. Marie lag zugedeckt auf ihren Kissen. Die Augen geschlossen und bleich wie der Mond am gestrigen Abend. Tot war sie noch nicht, denn ihre Brust hob und senkte sich unter dem Laken. Das Bett umlagerten ihre aufgeregten Edeldamen, der Hofkaplan und zwei Ärzte.
Leonora, bereits im Prozessionsgewand, warf Sancha einen erschrockenen Blick zu, legte den Finger auf den Mund und schüttelte resolut den Kopf.
Sancha stutzte. War ihre Anwesenheit unerwünscht? Dennoch trat sie näher. „Sollen wir die Prozession absagen?“, fragte sie leise.
Da schlug die Königin unvermittelt die Augen auf, riss die Arme unter der Decke hervor, deutete auf Sancha und begann zu kreischen: „Der Alemanne war es. Er hat den Wein vergiftet, den ich gestern Abend trank. Und sie hat den Krug umgestoßen, damit kein anderer zu Schaden kam. Sie steckt mit dem König, der mich loswerden will, unter einer Decke, und der Alemanne ist ihr bis in den Tod ergeben. Er besitzt geheime Bücher, in denen es um Gifte und Zaubersprüche geht. Doch ab heute vermag ihn niemand mehr zu schützen, selbst der lächerliche Rosmarinzweig nicht, den er am Wams zu tragen pflegt. Wachen“, schrie sie, „schwärmt aus. Sucht den Alemannen!“
Sancha fühlte sich wie Lots Frau.
Da schritt Leonora ein. Mit ungewohnt fester Stimme beorderte sie die Wachen zurück. Dann beugte sie sich übers Bett. "Meine liebe Marie", sagte sie zur Königin und umfasste streng ihre Handgelenke. "Begeht keinen Fehler. Niemand hat Euch etwas angetan, Euer Gemahl nicht, meine Schwester nicht und auch nicht der Herr von Hagelstein! Nehmt Vernunft an!“
Doch die Königin spuckte weiter Gift und Galle; selbst der Hofkaplan - ihr Beichtvater - konnte sie nicht beruhigen; und als die
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