Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
Sancha vorgeschlagen, beide Knappen bis dahin unter ihre Fittiche zu nehmen. Dass sie zugleich das Mädchen Gala unterrichte, hatte sie ihrem Gemahl erklärt, mache es für alle einfacher.
Roç war einverstanden gewesen, bat sie aber in der Nacht, nachdem er Sancha beigewohnt hatte, aus dem Jungen so schnell wie möglich das herauszulocken, was Toulouse weiterhalf. „Der Waffenstillstand gilt nur für die Stadt, Sancha, im Land wird unbeirrt weitergekämpft. Und mein Vater lehnt derzeit jede offene Feldschlacht ab, weil er auf den Beistand deines Bruders wartet!“
„Aber er kennt doch den Grund, weshalb Pedro ...“
„Freilich, die Bekämpfung der Almohaden ist für Aragón derzeit wichtiger“, sagte Roç zynisch, was Sancha ärgerte, weil nicht Pedro, sondern Rom es so bestimmt hatte. Doch um Streit zu vermeiden, schwieg sie.
„Die wohl schwierigsten Verhandlungen meines Lebens stehen an“, klagte er, als ob er bereits am Rande des Greisenalters stünde, und machte Anstalten, sich auf seine eigenen Räume zurückzuziehen. „Ich brauche all meine Kraft und werde schier unablässig in Staatsgeschäften unterwegs sein.“
Sancha hätte ihn gern gefragt, ob sich unter seinen Staatsgeschäften auch Rosaire, die Magd, befand, die - so hatte ihr am Nachmittag Petronilla verraten - schwanger war, doch die Vernunft gebot ihr, auch darüber zu schweigen, um nicht alles noch schlimmer zu machen.
„Montfort hat sich bereits die Provençe einverleibt“, fuhr Roç fort, während er sich ankleidete, „und die größeren Städte am mare nostrum . Wir müssen höllisch auf der Hut sein. Derzeit erwartet er wieder frische Truppen. Nun, ich werde dafür sorgen, dass sie sich nicht mit ihm vereinigen.“
„Kommen auch wieder Kreuzfahrer aus Alemannien? Und haben wir genügend Späher, die diese Sprache beherrschen?“
Roç schüttelte den Kopf. „ Hélas , die Alemannen versteht sowieso keiner, wenn sie unter sich sind. Du denkst doch nicht etwa an diesen Hagelstein? Merkwürdiger Mann. Ist ihm zu trauen?"
Sancha setzte sich auf und sah Ro ç beim Anziehen der Stiefel zu. Weil noch allerlei Feuergefunkel im Kamin herrschte, schimmerte die eine Hälfte seines Gesichtes wie ein roter Apfel. „Ich lege die Hand für ihn ins Feuer. Der Narr würde alles tun, um uns zu helfen.“
„Dir vielleicht, meine Liebe, dir würde er helfen. Weshalb nennt man ihn eigentlich einen Narren? Er ist doch kein Zwerg und trägt auch kein Schellenkleid?“
Sancha lachte leise auf. „Nun, als ich Hagelstein kennenlernte, sagte er zu mir, er wolle lieber ein Narr sein, denn der weise Mann, für den ich ihn damals hielt. Aber das ist eine lange Geschichte. Dir würde ich sie gern erzählen. Hast du noch ein wenig Zeit?“
Sie beobachtete, wie Roç mit sich rang und freute sich, als seine Neugierde die Oberhand behielt. „Nun, wenn ich ihn in unsere Dienste nehmen soll, muss ich alles über ihn wissen, jede Kleinigkeit“, sagte er und ließ sich angekleidet noch einmal aufs Bett fallen. „Nimmt der Feind ihn gefangen, könnte dies weitreichende Folgen für uns haben. Wer ist er also, dein Narr, und woher kommt er?“
Sancha lächelte. Als sie sich auf die Seite drehte, um Ro ç ansehen zu können, während sie die „Große Beichte“ ablegte, dachte sie bei sich, wie fatal es doch war, dass sie über Hagelstein mehr wusste, als über ihren eigenen Ehemann ...
Sie stützte den Ellbogen auf. „Hagelstein?", sagte sie nach einem tiefen Seufzer. " Ich habe manchen Mann gekannt, der Gold gesucht und Kupfer fand. Dieser Spruch stammt aus der Feder eines alemannischen Dichters namens Freidank, der Hagelsteins Leben tief geprägt hat, und er trifft in gewisser Weise auch auf den Narren selbst zu ...“
Sancha begann zu erzählen - und Roç hörte wie gebannt zu. Er vergaß zu gehen und schlief, während draußen der Wind heulte, die Dachsparren knarzten, ein Laden schlug und ein Hund bellte, irgendwann in ihrem Bett ein.
Mit einem Stoß frischer Weißwäsche auf dem Arm betraten Petronilla und eine der Mägde das Gemach, gefolgt von Miraval, der Sancha kühl grüßte. Er nahm die Laute in die Hand, die noch von der morgendlichen Tanzstunde herumlag, trat ans Fenster, stieß den Laden weit auf und starrte wortlos hinaus auf die Garonne.
Sancha runzelte die Stirn. Sie ließ sich den Pelz umlegen und gesellte sich zu ihm. „Bedrückt Euch etwas, mein Freund?“
„Ich mache mir Sorgen um Euch, Sancha", sagte er, als sie unter sich
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