Sanctus Satanas - Das 5. Gebot: Thriller (German Edition)
scharlachroten Talaren und weißen knielangen Obergewändern bekleidet. Auf
ihren Köpfen trugen sie die roten Kappen, die Pileoli .
Es war ein Augenblick des Schweigens und dennoch war
es nicht still.
Sarah lachte.
Ein Lachen, das nur ihm gehörte, das nur in seinem
Herzen und seinen Gedanken war, während sein Blick an Rodriguez hing.
Ein fröhliches Kind, ein glückliches Kind.
Wenn sie mit ihrer Mama Elisa in deren alten Ford
unterwegs gewesen war, hatte sie auf der Rückbank sitzend meistens mit großen
Augen aus einem der Seitenfenster des Wagens geblickt und manchmal in die Hände
geklatscht, wenn sie etwas Aufregendes gesehen hatte.
Sicher auch an jenem Tag im November.
»Oremus. Lasset uns beten«, sagte Kardinal Rodriguez
hinter dem Altar.
Sarahs Lachen verflüchtigte sich wie der Weihrauch,
dessen Schwaden in der Luft hingen, wie der Rauch der Kerzen, so als würde sie
davongleiten.
Kardinal Rodriguez' Stimme war wie etwas, das von
weither zu kommen schien. Er hob die Hände und die Zeremoniare traten beiseite.
»Praeceptis salutaribus moniti –«, die lateinischen Worte, die er sprach, klangen
weich durch die Petersbasilika, brachen sich an den Kuppeln, an den hellen
Steinwänden und dem bunten Marmorfußboden, so als wollten sie sich sanft in die
Herzen der Menschen schmeicheln, » et divina institutione formati, audemus dicere.«
Dem
Wort unseres Herrn und Erlösers gehorsam und getreu seiner göttlichen Weisung,
wagen wir zu sprechen, übersetzte er still die Worte, ohne den Blick von Rodriguez zu lassen.
» Pater noster, qui es in
caelis«, betete Rodriguez das Vaterunser.
»Du hast mich sterben lassen«,sagte Sarah.
Sarahs braune Augen, so voller Leben, so voller Angst,
kurz bevor sie im Tode erstarrt waren.
»Wann kommst du wieder, Papi?«, hatte sie noch einige
Wochen zuvor gesagt. Zwei Kinderaugen, die rund und fragend zu ihm aufgeschaut
hatten. »Du kommst doch wieder, oder?«
»Sanctificetur nomen tuum«, sagte Rodriguez.
Das Quietschen der Reifen.
»Adveniat regnum tuum.«
Das Krachen und Knirschen, als der Wagen mit Elisa und
Sarah gegen die Brückenbrüstung fuhr, die dem nicht standhielt.
»Fiat voluntas tua –«
Elisas und Sarahs grelle Schreie voller
Todesangst, als der graue Ford über den Brückenrand hinausfuhr, bevor er in den
Tiber stürzte, bevor er in dem eiskalten dunklen Wasser versank, Elisa
verzweifelt versuchte, sich und ihre Tochter zu befreien, sich ihre Lungen
schneller mit Wasser füllten, als sie ihrem Schicksal entfliehen konnten, sie
qualvoll ertranken.
Er zitterte.
»– sicut in caeloet in
terra.«
Die Journalisten auf den Sitzbänken vor dem Altar
horchten auf Rodriguez' Worte.
Ein oder zwei, die des Lateinischen mächtig waren,
beteten das Vaterunser leise mit. Doch tatsächlich stand in den Gesichtern nur
eine Frage. Wo war der Papst? Warum las Kardinal Rodriguez die Messe?
»Panem nostrum cotidianum da nobis
hodie.«
»Wann kommst du wieder, Papi?«, sagte
Sarah.
Er hatte ihr versprochen
wiederzukommen, und er war wiedergekommen, hatte den lebendigen warmen Körper
seiner vierjährigen Tochter in die Arme schließen wollen.
Doch stattdessen war er leblos
gewesen, als er ihn tatsächlich in den Armen gehalten hatte, a ufgequollen, von grüngelben Algen umschlungen, kalt wie ein Eiskristall
An jenem Tag im November war er auf dem Weg zu Elisa
und Sarah gewesen, wie immer mit einem Mietwagen und gerade eben erst aus dem
Ausland zurückgekehrt.
An diesem Tag hatte er Elisa sagen wollen, dass er
endgültig beschlossen hatte, der römisch-katholischen Kirche den Rücken
zuzukehren und bei ihr und Sarah zu bleiben.
Nicht einmal umgezogen hatte er sich, hatte noch immer
die dunkle Soutane getragen.
»Et dimitte nobis debita nostra,
sicut et …«
Er hörte Kardinal Rodriguez' Worte
nicht mehr.
Stattdessen waren sie
wieder da, die Ereignisse von damals. Jener Augenblick –
Giorgia, Sarahs Großmutter, steht in
der Haustür des Hauses am Rande Roms, wo sie mit Elisa und Sarah lebt.
Es ist ein langer Augenblick des
Schweigens, in dem Giorgia ihn anblickt, bevor sie ihm einfach die Haustür vor
der Nase zuschlägt.
»Giorgia, was soll das?«
Ihr markerschüttender Schrei voller
Schmerz hinter der Tür lässt ihn mit den Fäusten gegen die Tür hämmern.
»Giorgia! Was ist? Was ist denn?«
Er hört sie weinen und rennt gegen die
Tür, bis sie endlich nachgibt und aufspringt.
Giorgia sitzt bebend zusammengekauert
links in der Ecke
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