Sanctus Satanas - Das 5. Gebot: Thriller (German Edition)
des schmalen halbdunklen Flures.
»Giorgia? Was ist? Wo sind Elisa und
Sarah?«
Sie schlägt nach ihm, als er sie
anfassen will.
»Geh weg! Du bist schuld! DU!«
»An was?«
Plötzlich spürt er diese Angst.
»AN WAS, GIORGIA?«
Sie blickt zu ihm hoch, das Gesicht
tränenüberströmt. »Du hast nicht angerufen.«
»Ich war im Ausland.«
»Du bist nicht wiedergekommen, und
dann hast du Elisa auch noch ausrichten lassen, du würdest niemals wiederkommen,
du beschissener Feigling! Nicht einmal selbst sagen konntest du es ihr. Du
wusstest, dass sie nicht stark genug sein würde. Du wusstest, dass sie wieder
an zu trinken fangen würde.«
»Elisa trinkt wieder?«
»Du weißt doch, dass sie sensibel
ist. Du weißt doch, dass ich ihr nur eine beschissene Kindheit bieten konnte,
weil sich ihr Vater aus dem Staub gemacht hat. Und dann tust du ihr so etwas
an?«
»Das habe ich nicht.«
»Aber jemand war hier.«
»Wer? Wer war hier?«
»Ein Kardinal namens James William
O'Neill.«
»O'Neill war hier?«
»Du hast auf ihre Briefe nicht
geantwortet.«
»Ich habe keine erhalten, Giorgia.
Aber ich habe Elisa doch geschrieben, dass ich ohne sie nicht leben kann, dass
ich mein Amt als römisch-katholischer Geistlicher niederlegen werde, weil ich
mit meinem Keuschheitsgelübte, mit dem Zölibat, nicht länger leben kann und
will.«
Giorgia scheint verblüfft. »Da war
kein Brief, in dem so etwas stand. Elisa wollte heute zu dir, zum Vatikan. Sie
war betrunken. Sie hat Sarah mitgenommen. Sie wollte dir sagen, was du ihr
angetan hast. Ich konnte sie nicht davon abhalten, loszufahren.«
Wieder spürt er diese Angst. »Was
soll das heißen?«
»Sie sind
tot! «, schreit sie. »Der
Anruf vor ein paar Minuten. Nicht die Polizei. Ein Bekannter von mir hat das
Unglück gesehen. Es ist hier in der Nähe passiert. Elisa … Elisa ist tot und
Sarah wahrscheinlich auch. Elisa ist von einer Brücke in den Fluss gefahren.
Sie war betrunken. Wahrscheinlich hat sie die Kontrolle über den Wagen
verloren.« Sie vergräbt das Gesicht in den Händen. »Ich konnte nicht … Ich
konnte sie nicht davon abhalten, loszufahren. Sie hat Sarah einfach ins Auto
gepackt und ist losgefahren, bevor ich zum Auto rennen konnte.« Sie atmet tief
durch und blickt zu ihm auf. »Ich habe bereits im Vatikan angerufen. Ich wollte
dich fertigmachen. Ich wollte dir sagen, dass du deine Familie auf dem Gewissen
hast.«
Er spürt, dass er wankt. Der
halbdunkle Flur verschwimmt vor seinen Augen. »Wo? Welche Brücke?«
»Ganz in der Nähe. Die Tiberbrücke, über welche die Via del
Foro Italico führt.«
Wenige Augenblicke später ist er
bereits am Unglücksort.
Polizei mit Blaulicht! Überall! Von
Elisas grauem Ford ist nichts zu sehen. Wahrscheinlich ist er noch unter
Wasser.
Elisas Körper liegt reglos am Ufer.
Menschen stehen um sie herum. Jemand deckt sie mit einem hellen Tuch ab. Sarah
wird in diesem Augenblick von Tauchern aus dem Wasser gezogen und Richtung Ufer
getragen.
Schreiend rennt er ins Wasser und
reißt den kalten leblosen Körper seiner vierjährigen Tochter in die Arme.
»SARAH!«
Sie ist bleich.
Ein Auge ist geschlossen, das andere offen und starr.
»Sarah! Bitte!« Er wischt ihr die Algen aus dem
Gesicht, presst seinen Mund auf ihren, versucht, sie zu beatmen. »Sarah! Atmen.
Bitte! Du musst atmen! Atme !«
»Signore, Signore.« Der Taucher steht neben ihm.
»Bitte. Sie ist tot. Geben Sie mir das Kind.«
»Nein! Sarah, du musst atmen! ATMEEEE!«
»Sie ist tot, Signore.«
Tot. Das Liebste, was er auf der Welt hat, ist tot. Er
weiß es, aber seine Seele kann es nicht aushalten.
»Bitte. Geben Sie sie mir.« Der Taucher will ihm Sarah
aus den Armen nehmen, tritt dabei auf seine Soutane, zerreißt sie.
Er kämpft um sein Kind, will es behalten, es
festhalten, es nie wieder hergeben, presst es an sich.
Bisher hat er es nicht bemerkt, aber jetzt sieht er
es.
Sarahs geschlossenes Auge hat sich geöffnet, blickt
ihn an, ebenso starr wie das andere.
Du hast mich sterben lassen! Du!
Nein! Nein, das habe ich nicht! Sie waren es! Sie !
Starr vor Entsetzen lässt er sich Sarah aus den Armen
nehmen. Jemand führt ihn aus dem Wasser ans Ufer, wo er zusammenbricht, auf die
Knie geht, seinen Körper in irrsinnigem Schmerz hin und her wiegt.
Von diesem Augenblick an ist alles anders.
Wie in Trance steht er auf, geht zu Elisa und kniet
sich vor ihr nieder. Es sieht aus, als ob sie schliefe, als er das Tuch von
ihrem Gesicht
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