Sandra und die Stimme der Fremden
Handscheinwerfer aus dem Wagen, Dieter.“
Der Inspektor eilte hinaus.
„Die Züchterin!“ rief Joschi. „Frau Arnold hat am Samstag im Stadtanzeiger eine Anzeige veröffentlicht, in der sie für Plus ein liebevolles Zuhause sucht. Plus ist ein wertvoller Königspudel“, erläuterte er und zupfte vor Aufregung den Oberinspektor am Armel. „Sie müssen eine Funkstreife hinschicken und feststellen lassen, ob die Frau ein Alibi für die letzte Stunde hat.“
Der Oberinspektor blickte Joschi mißbilligend an. „Noch führe ich die Untersuchung, junger Freund“, sagte er kühl. „Außerdem liegst du mit deinem Verdacht falsch. Wir haben in der Zwischenzeit nicht geschlafen, sondern ermittelt, daß die betreffende Dame sich seit einer Woche mit einer Bronchitis in der Klinik befindet.“
Joschi setzte sich betreten zu Michael ans Fußende der Couch.
Im Gesicht der Katzen-Marie arbeitete es heftig. Sie schien etwas sagen zu wollen, kämpfte jedoch mit sich und platzte dann schließlich doch damit heraus: „Ich kann mir denken, wer’s war. Mein Neffe! Seine Frau wird ihm ausgerichtet haben, daß ich ihn enterbe und daß Michael mein Haus kriegen wird.“
Die Anwesenden saßen sekundenlang vor Überraschung stumm da.
Sandra faßte sich als erste. „Aber das haben Sie gar nicht gesagt, daß Michael Sie beerben wird.“
„Habe ich nicht?“ fragte Frau Arnold verwirrt.
„Nein, bestimmt nicht. Kriegt er es denn?“ fragte Sandra aufgeregt.
„Ja, er kriegt’s. Er hat es verdient“, sagte die Katzen-Marie bestimmt.
Michael war zunächst bleich und dann vor überwältigender Freude rot geworden. „Aber... Warum ich? Und überhaupt... Sie leben noch lange. Sie werden bestimmt hundert“, sagte er verstört.
„Dann kriegst du es eben, wenn ich mit hundert sterbe“, polterte die Katzen-Marie.
„Mensch, Michael!“ sagte Joschi andächtig.
„Frau Arnold, arbeitet Herr Lauter regelmäßig bei Ihnen?“ fragte Ruhwedel.
„Regelmäßig...? Na ja, er kommt nicht jeden Tag, aber zwei-, dreimal die Woche bestimmt.“
„Es war also Zufall, daß er sich ausgerechnet heute hier aufhielt?“
Die Katzen-Marie wußte nicht, worauf Ruhwedels Frage abzielte. Sie zuckte die Schultern. „Eigentlich ja.“
„Wann haben Sie Ihr Testament geändert, Frau Arnold?“
„Überhaupt nicht. Ich habe nämlich gar kein Testament gemacht. Es war ja klar, daß mein Neffe mich beerben würde. Aber jetzt werde ich ein Testament machen. Sie schicken mir einen Psychiater ins Haus, der mich für unzurechnungsfähig erklären soll! So was!“ ereiferte sich Frau Arnold. „Aber das zahle ich ihnen heim. Ich habe mich schon bei einem Notar angemeldet“, setzte sie triumphierend hinzu.
„Dann galt der Anschlag vielleicht Ihnen selbst, Frau Arnold, um Ihnen zuvorzukommen!“ rief Sandra und sprach damit Ruhwedels Gedanken aus.
Die Katzen-Marie, obwohl sonst unerschrocken, wurde aschfahl im Gesicht.
Inspektor Panke brachte den Handscheinwerfer, und sie gingen in den Hof.
Die Tiere hatten sich beruhigt. Die Hunde schliefen im Schuppen. Einige bellten kurz, als sie die Stimmen und Schritte hörten. Doch als die Katzen-Marie ihnen ein energisches „Platz!“ zurief, wurden sie sogleich wieder still. Die Enten hatten sich im Unterholz des großen verwilderten Gartens niedergelassen.
Oberinspektor Ruhwedel und sein Mitarbeiter untersuchten die Drahtsperre, die Michael zu Fall gebracht hatte.
Es schien sich um einen neuen Stacheldraht zu handeln. Die herausstehenden Spitzen waren scharf wie Miniaturdolche. Selbst die Wucht, mit der Michael in den Draht hineinlief, hatte ihn nicht zerreißen können. Eine alte, fast achtzigjährige Frau hätte bei einem solchen Sturz schwere Verletzungen davongetragen. Alte Menschen neigen selbst bei einem harmlosen Ausgleiten auf glattem Boden zu kaum noch verheilenden Knochenbrüchen.
Wenn Frau Arnold an diesem Abend allein gewesen und, aufgeschreckt durch das ungewohnte Verhalten ihrer Tiere, hinausgelaufen und über den Draht gestürzt wäre, hätte sie wahrscheinlich hilflos die Nacht im Freien verbringen müssen. In einer Nacht, für die Bodenfröste angekündigt waren. Frau Arnold hätte dies gewiß nicht überlebt.
Das waren die Gedanken, die Ruhwedel und seinen Mitarbeiter beschäftigten.
Inspektor Panke hob ein Holzscheit auf, das unter dem Küchenfenster lag. Weitere Holzscheite fanden sie im Entengehege.
Da weder Frau Arnold noch Michael sich erklären konnten, wie sie dorthin
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