Sandrine
heute einen neutralen Namen, mit dem ich nun wirklich niemandem unbeabsichtigt auf die Füße treten kann: Smalltown. Dadurch wird es nach meinen Eröffnungen weder politische Unruhen geben können, noch gesellschaftliches Chaos, noch blutige Familienkriege, beruhend auf tödlicher Eifersucht...
Sandrine. Als ich sie zum ersten Mal sah, wirkte sie auf mich wie der sprichwörtliche Bauerntrampel. Sie war nicht fett, nein, aber ihre Kleidung war unvorteilhaft. Zumindest für meinen Geschmack. Sie selber schien es genau richtig zu finden, in einem Dirndl zu erscheinen, das sie drall wirken ließ, vor allem wegen ihren ziemlich großen Brüsten, die den Anschein erweckten, als wollten sie jeden Augenblick aus dem Dekolleté springen. Es gab kaum einen Mann, dessen Blicke das nicht anzog (außer vielleicht, er war "anders herum"), und anscheinend war das genau die Absicht.
Sandrine hatte hektisch rote Wangen. Ich dachte zunächst, sie habe sich entsprechend geschminkt, aber als ich in ihre Augen schaute, wurde mir klar, daß es sich keineswegs um Schminke handelte. Die Hektik stand nämlich auch in ihren Augen.
Irgendwie erregte ich ihre Aufmerksamkeit. Ich dachte mir, das hinge wohl damit zusammen, daß ich hier zum ersten Mal auftauchte, aber damit irrte ich, denn sie begrüßte mich mit den Worten: "Entschuldige, aber ich bin zum ersten Mal hier. Mein Mann kam vor ein paar Monaten und ich bin noch frischer - sozusagen."
Sie sprach mit französischem Akzent. Ich bin nicht sicher, ob es außer mir noch jemandem gab, dem das auffiel. Aber mir als Deutscher... Da war Frankreich sozusagen näher.
"Ich auch!" sagte ich - sicher mit einem schauderhaften deutschen Akzent.
Sie stutzte. Dann reichte sie mir spontan die Hand, die ich allerdings zunächst nur irritiert betrachtete.
"Gestatten, Sandrine! Ursprünglich bin ich ja Französin. Aber mein Mann verschleppte mich nach Amerika... Naja, ich ließ mich natürlich freiwillig verschleppen." Sie lachte glockenhell, was die Aufmerksamkeit einiger Umstehender erregte. Ich mochte das nicht allzu sehr, wenn ich irgendwo Mittelpunkt wurde. "Und du bist also eine Deutsche?"
"Merkt man das denn so sehr?"
"Und ob!" Sie lachte abermals.
Ich warf verstohlen Blicke in die Runde. Ja, es war mir ziemlich unangenehm. Am liebsten hätte ich mich abgewendet und wäre geflüchtet, aber das wäre nun doch viel zu unhöflich gewesen. Außerdem machte mich diese Person neugierig, auch wenn ich es nur ungern zugebe.
Sie war kleiner als ich, und wenn ich zu ihr hinab schaute, lenkten die schwellenden Brüste sogar meine Blicke auf sich. Auch wenn ich behaupten darf, nur wirklich nicht auf Frauen zu Copyright 2001 by readersplanet
stehen.
Ich schüttelte endlich ihre Hand und stellte mich selber vor. "Mein Name ist Iris Berg. Ich kam mit meinem Mann, aber nur für ein Vierteljahr. Er arbeitet bei einer hier ansässigen Firma, allerdings die meiste Zeit über bei uns daheim in Deutschland."
Mir wurde auf einmal bewußt, daß ich mit ihr deutsch sprach. Aber sie hatte ja auch das
"Und ob!" auf deutsch gesagt...
Ich schlug unwillkürlich die Hand vor den Mund und entschuldigte mich auf Französisch, das ich besser beherrschte als das amerikanische Englisch: "Pardon, daß ich meine Muttersprache benutzt habe, aber..."
Sie antwortete in reinstem Deutsch mit französischem Akzent und gönnte mir dabei einen Augenaufschlag, den ich nicht zu deuten wußte, begleitet von einem spitzbübischen Lächeln:
"Aber das macht doch nichts, meine Liebe. Wie Sie sehen, habe ich auch damit keinerlei Probleme. Zwar meint mein Mann, ich würde in der Regel nur mit meinem Unterleib denken und vielleicht auch noch ein wenig in der Höhe meiner Brüste -, aber das stimmt nicht völlig, wie Sie sehen - und hören."
Ich war ein wenig verdattert. Solche Redeweise war mir sozusagen nicht geläufig. Nicht, daß ich eine besonders feine Dame hätte sein wollen. Das fand ich nun doch zu langweilig, aber ich ahnte schon, daß ich gegenüber dieser Sandrine ein rechtes Mauerblümchen war. Auch wenn ich mit diesem Zustand völlig zufrieden war.
Eigentlich wäre es jetzt endgültig an der Zeit gewesen, mich unter einem Vorwand von dieser Sandrine zurückzuziehen, weil mir längst klar war, daß sie und ich nicht so recht zusammen paßten. Gespräche, die unter die Gürtellinie gingen, waren nämlich ganz und gar noch nie mein Fall gewesen. Vor allem nicht mit wildfremden Menschen. Selbst wenn es so eine Art Gespräch
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