Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
Schluchzen hallten durch den Raum, und doch rannen keine Tränen aus Jennas Augen, sie blinzelte nicht einmal. Ihre Lippen zitterten nicht. Ihre Schultern bebten nicht. Ihr Körper zuckte nicht …
Er blinzelte. Rang um Klarheit in seinem Kopf. Seine Erektion erschlaffte, als ihm bewusst wurde, wo er war und was er da tat.
Verdammt!
Er blickte auf Jenna Hughes nieder und ließ sie, als hätte er sich die Hände verbrannt, auf die zerknitterten Seidenlaken zurückfallen.
Krach!
Ihr Kopf schlug auf dem Bettrahmen auf.
Ein Kreischen schieren Entsetzens gellte durch den Raum.
Jennas Hals brach.
Ihr kahler Kopf löste sich vom Körper.
»O Gott, neiiiin!«
Der Kopf rollte mit weit aufgerissenen Augen von der Matratze.
Mit einem dumpfen Aufprall landete der Kopf auf dem Boden dieses Raumes, der seine Zuflucht und sein Heiligtum war.
Die Schreie wurden hysterisch; entsetzliche Schluchzer erfüllten den Raum, prallten von den Wänden ab und jagten ihm eiskalte Schauer über den Rücken.
»O Gott! Bitte nicht!« Ihre Stimme schien hoch aufzusteigen, das ganze Haus zu erfüllen. Also empfand sie doch . Und trotzdem sah sie ihn nicht an. Etwas war faul hier … gründlich faul.
Auf dem Boden zogen Jennas Züge sich zusammen und verflossen zu einem Brei, der einmal ihr Gesicht gewesen war.
Sein Verstand wurde schlagartig wieder klar.
Er erkannte, dass seine beinahe perfekte Schöpfung, seine Wachsmaske von Jenna Hughes’ hinreißendem Gesicht, zerstört war.
Weil er nicht hatte warten können.
Weil er zu viele Pillen geschluckt hatte.
Weil er sie so sehr begehrte, dass er die Beherrschung verloren und sie geschlagen hatte. Lange bevor das Abbild richtig fest geworden war.
»Dummkopf«, knirschte er und schlug sich selbst vor den Kopf. »Idiot!« All die Arbeit für nichts und wieder nichts. Das wunderschöne Gesicht – würde er es rekonstruieren können? Eben noch war es beinahe lebensecht gewesen, und jetzt war es dahin; ehemals ein Michelangelo, jetzt ein Picasso, mit verzerrten Zügen um blinde Augen herum, die glasig und leer starrten.
Er richtete sich auf, wich vor dem Chaos auf dem Bett zurück. Kein Blut war zu sehen. Kein Fleisch, keine Knochen. Nicht von dieser leblosen Gestalt. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und blickte über die Schatten seiner dunklen, sorgfältig vorbereiteten Bühne hinweg, auf der mehrere beinahe perfekte Mannequins stumm und abwartend in der Dämmerung standen. Sie waren wunderschön, aber nicht lebendig. Nachbildungen von Jenna Hughes.
Aber diese eine! Er sah sein vormaliges Meisterwerk noch einmal an und furchte die Stirn. Eine erbärmliche Nachbildung! Er war in letzter Zeit unkonzentriert gewesen.
»Bitte … lassen Sie mich gehen.«
Er kam wieder auf die Füße und spähte über die Schulter in die dunkle Ecke. Sein Blick heftete sich auf die lebendige Frau, die, nackt und gefesselt, gerade aus ihrem durch Drogen herbeigeführten Schlaf erwachte. Es war ihre Stimme gewesen, die er hörte. Ihre Panik, die durch den Raum gellte.
»Bitte«, wimmerte sie noch einmal leise, und er lächelte, empfand neue Hoffnung, als er ihren Körperbau und die Gesichtszüge musterte. Die Breite der Stirn, die gerade Nase, die hohen Wangenknochen unter großen, angsterfüllten Augen. Sie war schmutzig blond, doch die Haarfarbe war seine geringste Sorge. Was das Gesicht betraf, war sie beinahe ein Volltreffer. Er grinste breit, und das Chaos vor ihm war bereits wieder vergessen.
Die nächste Nachbildung der Jenna Hughes würde perfekt sein.
Dieses erbarmungswürdige Geschöpf, das gefesselt um sein Leben flehte, war anatomisch genau das Richtige.
Seine Wut verrauchte sogleich, als er zum Fenster hinüberschaute, durch dessen Scheiben schwaches Mondlicht drang. Draußen auf der Fensterbank schmolz der Schnee.
Der Winter ging zu Ende.
Frühlingshaftes Tauwetter lag bereits in der Luft.
Er musste sich beeilen.
1. Kapitel
Im diesjährigen Winter
S ie sorgen sich also wegen des bevorstehenden Unwetters«, sagte Dr. Randall in seinem Sessel beim Schreibtisch ruhig. Er hatte sich so gesetzt, dass nur eine Orientbrücke auf dem polierten Holzfußboden seines Sprechzimmers ihn von seinem Klienten trennte.
»Ich mache mir Sorgen wegen des Winters.« Die Antwort klang zornig, aber es war ein kalter Zorn. Der Mann, groß und wortkarg, saß in einem Ledersessel beim Fenster. Er musterte Randall mit hartem, unversöhnlichem Blick.
Randall nickte, als ob er verstünde.
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