Sanfter Mond über Usambara
Afrika keinen Butterkuchen? « , wollte Ettje wissen.
» Es gibt andere Leckereien, die mit Bananen, Honig und Mango hergestellt und in Erdnussöl gebacken werden « , antwortete Charlotte.
Die anderen nickten sich mitleidig zu. In ranzigem Öl gebacken– da konnten sie sich ja denken, wie das schmeckte. Ohne gute Butter gab es doch kein anständiges Essen und schon gar keinen Kuchen. Da konnte Charlotte lange von knusprig ausgebackenen Maisküchlein und diesem indischen Zeug, den Samosa, erzählen– so was fraßen die Neger und die Inder, aber doch keine deutschen Christenmenschen.
» Ich habe euch Gewürze mitgebracht. Kurkuma und Muskatblüte. Und Galgant. Sogar Kreuzkümmel, weißen Pfeffer und Safranfäden! «
Die Ankündigung löste freundliches Kopfnicken und ein wenig Neugier aus, dann fragte Antje vorsichtig, ob sie auch Kaffee mitgebracht habe, und war enttäuscht, als sie erfuhr, dass es auf der Plantage am Kilimandscharo inzwischen fast nur noch Sisalpflanzen und kaum Kaffeebäume gab.
» Auf Bäumen wächst der Kaffee? Wie merkwürdig. Schüttelt man die Bohnen herunter, wenn sie reif sind? «
Elisabeth setzte sich in Szene, sie konnte genau erklären, wie der Kaffee gepflückt wurde. Misstrauisch hörte man ihr zu, vor allem Ettjes Söhne wollten der Sechsjährigen nicht glauben, dass der Kaffee in roten Beeren versteckt sei, und lachten laut heraus, doch Charlotte bestätigte Elisabeths Schilderung.
» Was für ’ne fixe Deern « , sagte die Großmutter, die jetzt nur noch Augen für die neue blonde Urenkelin hatte, und nickte anerkennend.
Die Gespräche plätscherten dahin. Charlotte begriff recht bald, dass ihre Berichte falsch verstanden wurden, dass es nahezu unmöglich war, ihren Verwandten das afrikanische Leben in all seiner Vielfalt und Faszination begreiflich zu machen. Ihre Vorstellungen von Afrika waren von der protestantischen Kirche geprägt, die immer wieder Gelder sammelte, um die armen Heidenkinder zum rechten, protestantischen Glauben führen zu können. Dazu las man hie und da einen Bericht in einem Journal oder im Ostfriesenboten, Artikel über die Missionsarbeit, die Sitten und Gebräuche der Neger oder über die kostbaren Rohstoffe, die in den afrikanischen Kolonien zu gewinnen waren. Die schwarzen Ureinwohner Afrikas waren für die Bewohner von Leer im besten Fall unwissende Heiden, für die man im Sommer Pulswärmer strickte, Im schlimmsten Fall aber waren sie bestialische Wilde, die ihre Opfer in großen Kesseln kochten und sie unter grausigen Ritualen verspeisten. Wer freiwillig unter solchen Unmenschen lebte, der war entweder ungewöhnlich fromm oder nicht ganz richtig im Oberstübchen und herzlich zu bedauern.
» Gott der Herr hat euch wieder in die Heimat geführt « , stellte Ettje mit tiefem Ernst fest. » Ich wünschte nur, dass auch Klara bald wieder in anständige Verhältnisse kommt. «
Charlotte, die nun endgültig resignierte, erwiderte lächelnd, dass Klara an der Seite ihres Mannes bleiben würde, was man mit traurig-verständnisvollem Kopfnicken zur Kenntnis nahm. Ja, gewiss, da gehörte eine Frau ja letztendlich auch hin.
Das Gespräch wandte sich jetzt den Neuigkeiten in Leer zu, und Charlotte musste sich eingestehen, dass nun sie es war, der das nötige Verständnis fehlte. Konnte man sich tatsächlich derart über den auffälligen Hut der Ehefrau des neuen Superintendenten aufregen? War es wirklich weltbewegend, dass der Holzmarkt von der Ortsmitte weiter nach Osten verlegt worden war? Dass die Tochter des Amtmanns Wagner freizügigen Umgang mit einem Auricher Studenten pflegte und mit ihm in den Wiesen gesehen worden war?
Als bald darauf Cousine Menna mit ihren beiden Töchtern Johanna und Grete die Stube betrat, schien das kleine Backsteinhaus förmlich aus allen Nähten zu platzen. War es früher auch so eng gewesen? Wenn ja, dann war es Charlotte einfach nicht aufgefallen. Ganz unbefangen schob man noch drei weitere Stühle zwischen die übrigen Sitzgelegenheiten und stellte Kuchenteller und Tassen auf. Die Teekanne schien unerschöpflich, genau wie der Kuchen und die runden Kekse, die die Großmutter aus einer Blechdose hervorholte.
Mennas Begrüßung war voll unbefangener Herzlichkeit, was Charlotte erleichterte. Menna war die Schwester von Marie, der geschiedenen Ehefrau ihres Mannes George Johanssen, und obgleich die Scheidung schon Jahre zurücklag und Marie längst glücklich in London verheiratet war, hatte Charlotte doch insgeheim
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