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Sanftes Monster Bruessel oder die Entmuendigung Europas

Sanftes Monster Bruessel oder die Entmuendigung Europas

Titel: Sanftes Monster Bruessel oder die Entmuendigung Europas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Magnus Enzensberger
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eigenen, großzügigen Speisesaal im Penthouse über dem Brüsseler Parlamentsgebäude. (Auf dem Wandbild, das den Raum schmückt, ist übrigens der »Raub der Europa« zu sehen.) Entlastet wird dieser Würdenträger ferner durch die 14 Vizepräsidenten, so daß notfalls immer einer davon zur Stelle sein kann, um den Vorsitz zu führen.
    Die Abgeordneten gehören verschiedenen Parteigruppierungen an. Derzeit sind sieben dieser Fraktionen von der Europäischen Union offiziell anerkannt. Jeder dieser Clubs hat ein eigenes Präsidium. Die internen fraktionellen Beratungen finden auf Sitzungen statt, bei denen es von stellvertretenden Vorsitzenden dieses Gremiums geradezu wimmelt.
    Beinahe hätten wir Luxemburg vergessen, eine schöne Stadt, in der sich weitere Institutionen und Präsidenten aufhalten. Am wichtigsten von ihnen ist der Europäische Gerichtshof (EuGH), der jedoch offiziell nur Gerichtshof heißt und auf keinen Fall mit dem Gericht der Europäischen Union (EuG) verwechselt werden darf. Zwar setzen sich beide aus je 27 Richtern zusammen, je einem aus jedem Mitgliedsland; auch verfügen beide über jeweils acht Kammern mit je drei bis fünf Richtern; aber nur der EuGH kann sich der Dienste von acht Generalanwälten rühmen, während das EuG ohne diese Amtsträger auskommen muß, so daß von Fall zu Fall einer der berufenen Richter einspringenmuß. Wieder anders verhält es sich mit dem EUGöd. Das ist das Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union, in dem nur sieben Richter je sechs Jahre lang ihres Amtes walten.
    Es versteht sich, daß keine der beiden genannten Instanzen ohne einen Präsidenten auskommen kann, der jeweils für die Dauer von drei Jahren gewählt wird. Außerdem verfügen die Gerichte über Verwaltungschefs, die sich Kanzler nennen dürfen, aber protokollarisch unter den Richtern stehen. Im Fall des EUGöd handelt es sich um eine Kanzlerin.
    Nur ein Laie kann in diesem Zusammenhang auf die Idee kommen, den EGMR , auch EuGHMR , in Betracht zu ziehen. Dies ist der in Straßburg residierende Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Der nämlich hat mit der Europäischen Union nichts zu tun, obwohl er dieselbe Flagge führt und dieselbe Hymne verwendet. Er steht schon deshalb auf einem ganz anderen Blatt, weil er unter der Ägide des Straßburger Europarats steht, in dem nicht 27, sondern 47 Länder vertreten sind, darunter Moldawien, Aserbeidschan und San Marino. Einzigartig ist der Europarat insofern, als er zwar einen Generalsekretär und dessen Stellvertreter besitzt, aber keinen einzigen Präsidenten aufzuweisen hat. Das Sagen haben dort letzten Endes das Ministerkomitee und die Parlamentarische Versammlung, der auch die Wahl der Richter obliegt.
    Man hat es hier, über den Daumen gezählt, mit 47 Richtern zu tun, die je neun Jahre amtieren und in Einzelbesetzung, in Ausschüssen mit drei, in Kammern mit sieben und in einer Großen Kammer mit 17 Richtern tagen. Im Gegensatz zum Europarat fehlt es beim EuGHMR nicht an Präsidenten. Neben dem Vorsitzenden kann das Gericht zwei Vizepräsidenten und drei weitere Sektionspräsidenten vorweisen, denen ein Kanzler und ein Vizekanzler zur Seite stehen.
    Nicht ganz so klar liegt der Fall der EAEC , die auch EURATOM genannt wird; denn hier hat man es mit einer Organisation zutun, die einerseits völlig eigenständig ist, also von der EU getrennt operiert, andererseits aber sämtliche Organe mit ihr teilt, ein Wunder, das jeden Anatomen vor ein Rätsel stellen wird. Wo genau der Stuhl des Präsidenten steht, ist schwer zu sagen.
    Bekannt ist hingegen, wer dem EuRH vorsitzt, der in Luxemburg die Bücher der Union prüft, dem EWSA und dem AdR – das sind Ausschüsse, die der Kommission beratend zur Seite stehen. Es fehlt ihnen nicht an Präsident(inn)en und deren Stellvertreter(inne)n; während die Ämter, die für den Datenschutz und für die Beschwerden der Bürger zu sorgen haben, sich bedauerlicherweise ohne solche Würdenträger behelfen müssen.
    Und was ist mit Frankfurt am Main? Auch dort kann man sich eines Organs der Union rühmen. Die Europäische Zentralbank erfreut sich, anders als die meisten anderen Behörden, einer formalen Unabhängigkeit, um die sie viele beneiden; denn nach Artikel 130 des Lissabonner Vertrags ist sie formal an keine Weisungen aus der Politik gebunden. Darauf kann sich ihr Direktorium, bestehend aus einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten und vier weiteren Mitgliedern, ebenso berufen wie ihr

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