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Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gemacht, als der Unfall passierte. Sie glaubt sich zu erinnern, daß sie an Johanna vorbeilief - wenigstens war sie ziemlich sicher, daß sie sich an jemanden mit gelben Hosen erinnerte -, aber ganz sicher war sie nicht. Mittlerweile schrie Mrs. Easterling, daß sie verletzt wäre, daß sie beide verletzt wären, ob nicht bitte jemand kommen und ihr und ihrer Freundin Irene helfen könnte.
    Auf halbem Weg über den Parkplatz stürzte meine Frau in der Nähe einer kleinen Gruppe von Zeitungsboxen. Die Tasche blieb über ihrer Schulter, aber die Tüte der Apotheke fiel ihr aus der Hand, der Inhalator rutschte halb heraus. Der andere Gegenstand blieb drinnen.
    Niemand bemerkte, daß sie bei den Zeitungsboxen lag; alle konzentrierten sich auf die verkeilten Fahrzeuge, die schreienden Frauen, die wachsende Lache Wasser und Frostschutz aus dem eingedrückten Kühler des Lastwagens der Stadtwerke. (»Das ist Benzin!« rief der Verkäufer des Fast Foto jedem zu, der es hören wollte. »Das ist Benzin, paßt auf, daß es nicht hochgeht, Leute!«) Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß der eine oder andere der Möchtegernretter über sie gesprungen ist und möglicherweise dachte, daß sie ohnmächtig geworden war. Es wäre nicht außergewöhnlich gewesen, so etwas an einem Tag zu denken, an dem die Temperatur bei fünfunddreißig Grad lag.
    Etwa zwei Dutzend Menschen aus dem Einkaufszentrum drängten sich um die Unfallstelle; rund weitere vier Dutzend kamen vom Strawford Park herübergelaufen, wo ein Baseballspiel stattgefunden hatte. Ich könnte mir vorstellen, daß alles gesagt wurde, was in so einer Situation zu erwarten ist,
manches mehr als einmal. Bill Fraker versuchte, zu dem eingedrückten Toyota vorzudringen; er könnte gesagt haben: Sind sie verletzt? Sind sie verletzt? Jemand (möglicherweise mehrere Jemande) hat wahrscheinlich versucht, ihn begütigend festzuhalten und wegzuführen. Sie setzen sich besser, Mister , hätte in den Drehbüchern dieser Leute gestanden, natürlich zusammen mit: Sie sehen aber gar nicht gut aus . Jemand hätte zu Esther Easterling und/oder Irene Deorsey gesagt: Sie bewegen sich besser nicht ; ein anderer hätte den Rat gegeben: Atmen Sie tief durch . Der Bursche (oder das Mädchen) mit dem unerschütterlichsten Glauben an die Kraft positiven Denkens könnte in einem bärbeißig beruhigenden Tonfall gesagt haben: Alles wird gut, alles wird gut , und mehrere andere Jemande könnten gerufen haben: Jemand muß einen Krankenwagen rufen!
    Allgemeines Gedränge. Jemand greift durch das unregelmäßige Loch, das einmal das Fahrerfenster gewesen war, und tätschelt die zitternde alte Hand von Esther. Die Leute machen augenblicklich Platz für Joe Wyzer, weil Leute im weißen Kittel in so einer Situation immer zur Ballkönigin werden. In der Ferne ertönt das wabernde Heulen einer Krankenwagensirene wie flimmernde Luft über einer Feuerstelle, und der griechische Chor sagt erneut, was der griechische Chor stets in solchen Situationen zu sagen pflegt: Gott sei Dank und Da kommen sie und Ich kann sie hören und Endlich .
    Derweil lag meine Frau die ganze Zeit unbemerkt auf dem Parkplatz, die Tasche noch über der Schulter (in der sich noch die in Stanniolpapier eingewickelte Schokolade-Marshmallow-Maus befand), die weiße Apothekentüte neben der ausgestreckten Hand. Joe Wyzer, der zur Apotheke zurücklief, um eine Kompresse für Irene Deorseys Kopf zu holen, entdeckte sie. Er erkannte sie, obwohl sie auf dem Bauch lag. Er erkannte sie am roten Haar, der weißen Bluse und der gelben Hose. Er erkannte sie, weil er sie keine fünfzehn Minuten vorher bedient hatte.
    »Mrs. Noonan?« fragte er und vergaß die Kompresse für die benommene, aber offensichtlich nicht ernsthaft verletzte Irene Deorsey. »Mrs. Noonan, alles in Ordnung?« Obwohl er bereits wußte (vermute ich jedenfalls; vielleicht irre ich mich), daß nicht alles in Ordnung war.

    Er drehte sie um. Er brauchte beide Hände dazu, und selbst da mußte er sich anstrengen, kniete sich auf dem Parkplatz hin und drückte und mühte sich in der brütenden Hitze ab, die herunterstrahlte und vom Asphalt zurückgeworfen wurde. Tote Menschen nehmen zu, scheint mir; leibhaftig und in unserem Denken nehmen sie zu.
    Sie hatte rote Flecken im Gesicht. Als ich sie identifizierte, konnte ich sie deutlich via Bildschirm erkennen. Ich wollte den Gerichtsmediziner fragen, worum es sich dabei handelte, aber dann fiel es mir ein. Ende Juli, heißer Asphalt,

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