Sarah Boils Bluterbe (German Edition)
kleinen Gehweg nieder. Iris gab mir ihre Jacke und ich bettete seinen Kopf darauf. Sein Haar war komplett verbrannt. Und seine Haut sah schlimm aus. Seine Wunden an Armen und Beinen verheilten nicht mehr richtig. Immer noch quollen Reste seines Blutes aus den offenen Wunden.
„Du bist nicht verbrannt, Du bist vielleicht kein Vampir mehr. Vielleicht macht mein Blut einen Menschen aus dir,“ wisperte ich mit dünner Stimme. Ich berührte vorsichtig sein Gesicht, doch er hörte mich nicht mehr. Dann griff ich panisch nach seinem Puls. Tod! Es war kein Puls zu fühlen, nicht ein einziger Schlag war zu spüren. Seine Haut begann sich allmählich vor meinen Augen zu verändern. Der Tod stand neben mir und war bereit, ihn zu holen.
Iris legte mir die Hand auf die Schulter: „Es ist vorbei. Du hast es geschafft.“
„Ja…“
Mehr konnte ich nicht sagen. Ich starrte auf die mumienähnliche Gestalt vor mir und begann wie wild an ihm zu rütteln. Meine Hände waren mit Wunden übersät, aber den Schmerz schluckte ich hinunter. Was waren schon die paar Wunden, sie würden verheilen gegen den Schmerz, den ich im Herzen spürte.
„Komm zurück, du darfst jetzt nicht gehen. Komm zurück.“
Mary kniete sich neben mich und legte ihre Arme um mich.
„Wieso muss er sterben? Er hat uns alle gerettet? Wieso gibt man ihm seine Seele nicht zurück?“
Iris nahm uns beide in den Arm und legte den Kopf beiseite und sah mich an: „er war schon tot, Sarah. Es ist Gerechtigkeit. Er hat so viele Menschen getötet. Und nun hat er seine Schuld bezahlt. Ich bin mir sicher, Gott wird seiner Seele gnädig sein.“
Ich zitterte am ganzen Körper.
„Bei meinem Vater war auch niemand gnädig. Er ist auch verbrannt worden.“
Ich strich ihm über sein Gesicht. Iris Stimme war voller Güte und sie versuchte tröstende Worte zu finden: „Lionel leidet nicht. Er spürt jetzt nicht mehr. Das Stadium ist erreicht. Er trägt zwar dein Blut in seinen Adern, aber deine Gene werden in seinem toten Körper absterben. Sie haben den Tod nur hinausgezögert.“
„Warum ist er nicht sofort verbrannt?“ stammelte ich. „Warum musste er noch leiden?“
Meine Stimme versagte, mein Herz pumpte und drohte in meiner Brust zu explodieren. Dann schrie ich so laut, wie ich konnte. Ich hatte über Nacht eine Gabe bekommen und das nicht ohne Grund. Ich habe meinen Teil erfüllt, und dennoch gab es immer noch irgendwo da draußen Vampire, die sich versteckt hielten. Eines Tages würden sie vielleicht wieder versuchen an die Macht zu gelangen. Ich war da, um sie zu vernichten. Nicht, um ihnen Leben zu schenken. Ich hatte eine Aufgabe. Und die Aufgabe war sie zu töten. Ich war das Amulett, mein Blut öffnete die Pforte und schloss die Pforte. Ich habe getan, was von mir verlangt wurde. Und nun muss ich das Wesen sterben lassen, dass mir die Kraft gegeben hatte, diese Bürde zu tragen. Ich musste also Abschied nehmen. Abschied, von Lionel, dem Wärter der Stadt. Tausend Bilder schossen durch meinen Kopf. Ich sah sein makelloses Gesicht noch einmal vor mir, die markanten Züge, seine hohen Wangenknochen, den tiefen, blauen See in seinen Augen und wusste, er hatte mir mehr als einmal das Leben gerettet. Ohne weiter nachzudenken sagte ich mit ernster Stimme: „Gib mir deine Athame, Iris.“
„Tu das nicht, Sarah.“
„Verdammt, gib sie mir.“
„Du greifst in die Naturgesetze ein. Alles hat seine Folgen.“
„In mein Leben wurde auch ungefragt eingegriffen. Ich habe meine Aufgabe erfüllt, sie schulden mir etwas.“
Wortlos legte Iris mir ihre Athame in die Hand. Ich rieb die blutige Klinge an meinem Hosenbein soweit es ging sauber. Dann schloss ich meine Hand um die Klinge, drückte zu und zog die Athame wie aus einer Messerscheide wieder heraus. Ich biss die Zähne zusammen und presste die offene, tiefe Wunde auf Lionels Mund.
„Los, trink endlich.“
Mein Blut lief in seinen Rachen, dann seine Kehle hinunter und verursachte glucksende Geräusche. Sein Schluckreflex funktionierte nicht mehr.
„Komm schon, lass mich hier nicht allein zurück. Verdammt, trink.“
Es waren nur Sekunden, aber diese Sekunden zogen sich zähes Kaugummi in die Länge.
„Es funktioniert nicht mehr ,“ schluchzte ich.
„Lasst mich mit ihm allein.“
Iris und Mary standen schweigend auf und ließen mich mit Lionel zurück. Ich starrte auf den leblosen Körper und presste meine blutige Hand immer fester auf seinen Mund. Es kam mir einen kurzen Moment so vor, als
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