Sarah Pauli 03 - Tod hinter dem Stephansdom
sie will? « , fragte Sarah, während sie gleichzeitig versuchte, sich auf den soeben verfassten Text zu konzentrieren.
» Nein, hat’s nicht « , kam es gereizt aus der Leitung. » Was ist jetzt? Nimmst’ sie oder nicht? Ich hab’ nicht den ganzen Tag Zeit. «
» Okay, ja, stell durch. «
Ihre Kollegin legte auf.
» Pauli « , wiederholte Sarah.
» Sind Sie die, die diese Kolumne über Aberglauben schreibt? «
Die Stimme der Frau klang gehetzt.
» Ja, die bin ich « , bestätigte Sarah.
» Gott sei Dank! Endlich hab’ ich Sie am Apparat. «
» Mit wem spreche ich? «
» Mathilde Zimmermann « , antwortete sie so, als müsste Sarah ihren Namen schon einmal gehört haben.
» Und was kann ich für Sie tun? « , fragte Sarah und fügte das ausgewählte Bild in die Maske neben ihrem Artikel ein.
» Es geht um die schwarze Frau. «
Sarah ließ die Maus los und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.
» Worum geht’s? «
» Sie wissen, wer die schwarze Frau ist und was das bedeutet? « , kam es misstrauisch aus der Leitung.
» Das kommt ganz darauf an, in welchem Zusammenhang « , erwiderte Sarah vorsichtig. » Wenn Sie auf den Aberglauben anspielen, kündigt diese Frau einen Todesfall an. Aber das ist … «
» Ich habe sie gesehen « , unterbrach sie die Anruferin. » Sie geht um. Die Todesbotin … sie geht in Wien um. Diesmal im Blutgassenviertel. Glauben S’ mir! «
Nein, bitte nicht, schoss es Sarah durch den Kopf, bitte jetzt keine Wahnsinnige mit übersinnlichen Wahrnehmungen. Genervt fuhr sich Sarah mit der Hand durchs Haar. Sollte sie einfach auflegen?
» Und was soll ich jetzt machen? «
Sie notierte sich Datum und Uhrzeit des Anrufs.
» Sie sollen darüber schreiben. Kommt ja nicht jeden Tag vor, dass die schwarze Frau umgeht. «
Eindeutig eine Wahnsinnige, diagnostizierte Sarah.
» Aha. Und warum soll ich das tun? «
» Ich hab’s Ihnen doch schon erklärt. Weil ich sie gesehen hab’. Nicht ein Mal, wenn S’ meinen. Zwei Mal hab’ ich sie schon gesehen. Zwei Mal! «
Schwachsinn, hätte Sarah am liebsten gesagt, wir leben im 21. Jahrhundert, es gibt keine schwarz gekleideten Frauen, die den Tod vorhersagen.
» Das erste Mal ist noch gar nicht so lange her … auf dem Parkplatz oben am Cobenzl. Dort hab’ ich sie zum ersten Mal gesehen. Ich bin mit meiner Hündin spazieren gegangen. Normalerweise gehe ich mit ihr zum Donaukanal, aber manchmal am Wochenende fahre ich zum Cobenzl. Da oben ist es ja sehr schön « , fuhr die Anruferin hemmungslos fort.
» Und was hat sie gemacht? «
Warum fragte sie das eigentlich alles? Leg einfach auf, ermahnte sich Sarah stumm. Um das Gespräch tatsächlich unhöflich abzubrechen, war sie jedoch zu höflich.
» Sie ist einfach nur auf der Mauer gesessen, hat aber nicht auf Wien runtergeschaut, sondern auf einen bestimmten Fleck am Parkplatz. Kennen S’ den überhaupt, den großen Parkplatz am Cobenzl? «
» Ja, ich kenne ihn. «
» Aber da war nichts. Verstehen S’? Zuerst hab’ ich mir gedacht, die denkt einfach nur nach, aber sie ist dann aufgestanden und hat etwas auf den Boden gelegt. «
» Etwas auf den Boden gelegt? Was? «
» Ein Heiligenbild. Ich hab’ mich schon ein bisschen gewundert, aber auch, weil ich damals nicht begriffen hab’, wer mir da erschienen ist. «
Erschienen!, wiederholte Sarah in Gedanken, ein Geisterwesen in Wien, das gäbe eine Schlagzeile.
» Wann haben Sie die Frau denn am Cobenzl gesehen? «
» In der Walpurgisnacht. Aber wer rechnet ausgerechnet dann mit der schwarzen Frau? «
Stimmt, dachte Sarah, da rechnet man eher mit Hexen auf dem Besen.
» Aber als ich sie jetzt noch einmal gesehen hab’, da ist es mir sozusagen wie Schuppen von den Augen gefallen, habe ich’s begriffen. «
» Und es war dieselbe … ähm, Gestalt? «
» Da bin ich mir absolut sicher. Auch weil sie dieselbe Kleidung trug, so einen langen schwarzen Mantel mit Kapuze. «
Eine Gestalt im langen schwarzen Mantel mit Kapuze. Sarah verplemperte hier ihren Samstagvormittag.
» Gestern Nacht ist sie aus einem Haus gekommen … es war in der Blutgasse. Wissen Sie, wo die Blutgasse ist? «
» Ja, das weiß ich. «
Wahrscheinlich wohnte die Frau dort. Sie verkniff sich eine Bemerkung, doch Mathilde Zimmermann antwortete, als habe Sarah ihren Gedanken laut ausgesprochen.
» Und falls Sie annehmen sollten, die wohnt dort, irren Sie sich. Das Haus steht seit längerer Zeit leer. Im Moment wird’s grad renoviert. Ich weiß das,
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