Satans Bruder
Naturszenen, ganz gut gemacht, und alle trugen die gleiche Signatur: B. Moreland. Noch ein Talent des Doktors?
Ben führte uns durch ein großes Wohnzimmer mit gelben Wänden, einem Kalksteinkamin, Brokatsofas, chinesischen Tischchen und Imari-Porzellanlampen mit Pergamentschirmen. Den Ehrenplatz über dem Kamin nahm ein Ölporträt einer schwarzhaarigen Frau ein, die mich in ihrer hochmütigen Schönheit an Porträts von Sargent erinnerte.
Der Raum öffnete sich auf eine Terrasse, wo uns ein langer Tisch mit hellblauem Tischtuch und sieben Gedecken erwartete. Der fahle Schein von Eisenlaternen verschmolz mit dem immer noch hellen Abendlicht.
Die Sonne berührte den Horizont und das Meer hatte die Farbe einer blutigen Wunde. Zwischen den Baumwipfeln schimmerten die Blechdächer der Häuser unten im Dorf wie winzige Goldmünzen. Die Straße zu dem Anwesen war wie eine schlafende, graue Schlange, deren Kopf vor dem großen Haupttor ruhte.
Lyman Picker fasste sich an die Kehle und zwinkerte Ben zu.
»Bourbon«, sagte Ben mit kalter Stimme. »Ich weiß, ein volles Glas.«
»Ausgezeichnetes Gedächtnis, mein Freund.«
»Und für Sie, Mrs. Picker?«
»Nur Sodawasser, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
»Nicht im Geringsten. Miss Castagna? Dr. Delaware?«
»Danke, ich möchte nichts«, sagte ich.
Robin schaute mich an. »Ich auch nicht.«
»Sind Sie sicher?«
»Ganz sicher.«
Romero ging weg und Jo schaute auf ihren Teller. Ich ging mit Robin zu der Holzbalustrade, die die Terrasse einrahmte. Picker folgte uns und lehnte sich mit den Ellbogen auf das Geländer.
»Sie sind also hergekommen, um mit dem Alten zusammenzuarbeiten. Sonne, Spaß und vielleicht die eine oder andere Veröffentlichung. Er hat großes Glück, dass er Sie bekommen hat. Einen richtigen Wissenschaftler könnte man nicht hierher locken.«
Ich lachte.
»Das meine ich natürlich nicht persönlich, mein Lieber. Mit ›richtigen Wissenschaftlern‹ meine ich solche theoretischen und achsonutzlosen Typen wie mich. Bettler mit Doktortiteln, die den Hut hinhalten und hoffen, dass irgendjemand ein Stipendium spendiert. Wenn Sie in dieser Gegend Geld verdienen wollen, dann arbeiten Sie nicht auf einer Insel wie dieser, sondern gehen nach Melanesien oder Polynesien, auf die großen, fetten, fruchtbaren Inseln mit reichlich Flora und Fauna und freundlichen, farbenfrohen Eingeborenen und mit einer anständigen Mythologie für die Völkerkundler.«
»Und auf Aruk gibt es gar nichts davon?«
Er hustete, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten. »Mikronesien ist nichts weiter als zweitausend Dreckspritzer auf acht Millionen Quadratkilometern Ozean, die meisten davon unbewohnte Korallenhaufen. Und dieser Haufen hier ist einer der obskursten. Wussten Sie, dass es hier keine Menschen gab, bevor die Spanier Sklaven herbrachten, um Zucker anzubauen? Es klappte nicht mit der Ernte, die Spanier zogen ab und ließen die Leute hier verhungern. Dann kamen die Deutschen, die nie einen Schimmer hatten, wie man eine Kolonie betreibt. Sie saßen nur den ganzen Tag herum und lasen Goethe. Danach versuchten die Japaner es noch einmal mit dem verdammten Zucker und mit Sklavenarbeit.« Er lachte. »Und was war der Lohn? MacArthur bombte sie zur Hölle und den Rest erledigten die Sklaven. Die Nacht der langen Messer.« Er fuhr sich mit einem Finger über die Kehle.
»Ist er schon wieder mit einer seiner Abenteuergeschichten zugange?«, unterbrach ihn Jo, die zu uns herüberkam.
»Nein«, sagte Picker mürrisch, »ich weihe unsere Freunde in die Lokalgeschichte ein.« Er hustete erneut. »Wo ist mein Whiskey?«
»Der wird schon kommen, Ly. Sagen Sie, Robin: Wie sind Sie dazu gekommen, Instrumente zu bauen?«
»Ich liebe Musik und arbeite gern mit meinen Händen. Aber erzählen Sie uns doch von Ihrer Forschung, Jo.«
»Das ist nicht besonders aufregend. Man hat mich hergeschickt, um auf mehreren Inseln der Marianengruppe die Windrichtungen und -stärken zu vermessen. Aruk ist unsere letzte Station. Wir hatten eine winzige Hütte im Dorf gemietet, doch dann war Bill so freundlich, uns in sein Haus einzuladen. In einer Woche reisen wir ab.«
»Du redest, als würdest du für den Wetterdienst arbeiten, Mädchen«, mischte sich Picker ein. »Dabei ist es das Verteidigungsministerium, das ihre Rechnungen bezahlt. Sie ist Nationaleigentum, höchst wichtig. Heiraten Sie ein Nationaleigentum und Ihr Leben ist ein ewiger Urlaub, und der Staat zahlt sämtliche Spesen.«
Er
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