Satt Sauber Sicher
Tage mal die Menschen checkt. Oha, ein neuer Krieg. Wieder vergewaltigt einer sein Kind. Da frisst einer seinen Tieren das Futter weg. Und nochmals stirbt ein guter Mensch ...
... in Gedenken an Ingo Büger, gestorben am 02. März 2006 ... Ich hätte dich gerne nochmal gesehen und gesprochen ...
Gott kann längst nicht mehr steuern, was er da konstruiert hat. Es ist ihm entglitten. Und doch wird geglaubt und Gott wundert sich, dass die Bibel weiterhin ein Bestseller überall auf der Welt ist. Gott hängt rum und macht sich ein Bier auf, guckt runter und sieht dieses Haus. Ein Behindertenwohnheim in der Nacht. Eine kleine Einrichtung der Hilfeleistung für Schräggeborene. Größtenteils wird geschlafen, sediert, bewacht, gepinkelt, geträumt. Geräusche der Nacht sind unbewusstes Bettdeckenwegziehen, nasales Auf-dem-Rücken-Schlafgeschnarche, das Stricknadelgeklimper der Nachtwache, eine Herzlungenmaschine, leise Musik, ohne die mensch nicht schlafen kann (tatsächlich Phil Collins, naja, Behinderte halt ...), und weitere Geräusche, die mensch beim Geschlafe und Nachtgeruhe so von sich gibt. Knirschende Zähne. Das Flüstern einer fremden Sprache. Ein Chor von Kleinigkeiten, augen- und ohrenscheinlich ist alles in Ordnung. Das wird die Nachtwachefrau auch in ihr Buch schreiben, wenn die Nacht vorüber ist. Sie wird ungefähr das hier schreiben: Helmut: 0.30 Uhr noch wach, nach Medikamentengabe Tiefschlaf. Bernd: Durchgeschlafen. Kevin: Um 23.30 Uhr, 1.30 Uhr und 4.20 Uhr eingekotet, Bettwäsche komplett gewechselt. Frauke: Ihre Musik leiser gemacht, sie ist davon wach geworden und ich habe ihr dann "In the air tonight" vorgesungen, dann ging's wieder. Harry: Ab 5.45 Uhr wach. Lisa: Eingenässt, Vorlagen gewechselt. Wünsche einen angenehmen Frühdienst.
Strickt dann noch ein paar Reihen, zwei links, zwei rechts oder links zwo, drei, vier bis der Frühdienst kommt. Heute hat Peter Frühdienst. Sein alter Opel mit ihm drin kommt vor dem Parkplatz des Wohnheims zum Stehen. Peter denkt 125.
Das ist die Summe der IQs aller seiner zehn Betreuten, für die Peter heute und auch sonst zuständig ist. Seine kleine Gruppe. Für den emotional verwahrlosten Peter ein Familienersatz, deswegen ist er auch so gut in seinem Beruf. Peter kommt ins Nachtwachezimmer und die nicht mehr ganz so frische Frau strickt sich was zusammen. Es riecht nach Desinfektionsmittel und das ist wie der Frühling des Pflegealltags. Peter bespricht kurz und faktengebunden die Nacht. Danach packt die Strickfrau ihre Teekanne ein, wirft ihr Strickzeug in ihre Handtasche und geht schief grinsend ihrer Wege.
Peter beginnt seinen Dienst. Weckt Menschen. Wäscht sie. Macht für sie Frühstück, gibt ihnen Aufträge und kleine pädagogische Hinweise für die Situation, in der sie gerade stecken, oder ihr Leben. Dann gibt er ihnen Medikamente, damit sie nicht wie der Mensch handeln, der sie eigentlich sind. Die gesellschaftlich unangepassten Ideen in den Köpfen werden wegradiert, um sie zu normalisieren. Dabei entstehen hier doch die besten Ideen, hier im Wohnheim. In den Köpfen sogenannter Geistigbehinderter.
Das Wohnzimmer der Wohngruppe. Es riecht nach Urin, Speichel und Liebe. Es ist alles so einfach. Könnte es sein. Einfach. Die Welt sehen, wie sie ist, mit wahrnehmungsgefilterten Augen nur Kuchen und Mädchenaugen sehen. Das geht und es ist gut und lustig.
Das Frühstück ist eigentlich beendet und die Gruppe ist noch um den Tisch platziert. Einige lautieren, machen Ruf- oder Fragezeichengesichter und klingen auch so. Eine dicke Frau mit Trisomie 21 schielt durch eine dickglasige Brille in Peters Gesichtsmitte. Äußert einen Wunsch. Will noch Kaffee haben. Peter sagt nein und sie will immer noch Kaffee haben. Peter sagt nein und sie will immer noch Kaffee haben. Peter sagt nein und sie will immer noch Kaffee haben. Peter sagt "Schluss jetzt!" und sie beginnt ein blubberndes Heulen. Die dicke Frau mit Trisomie 21. Sitzt da und heult, weil ihr größterWunsch unbeachtet blieb: eine weitere Tasse Kaffee. Keine Chance beim konsequenten Peter. Keine Viertelminute später hat die dicke Frau den Konflikt vergessen, Peter auch, und sie macht sich freudestrahlend auf den Weg zu ihrem Arbeitsplatz. Das nennt man politisch korrekt WfbM und bedeutet Werkstatt für behinderte Menschen. Sie schiebt einen Rollstuhl vor sich her, in dem ein dünner Mann sitzt. Er röchelt. Es geht ihm gut. Das Röcheln ist sein Lachen und sein Kommentar auf gerade
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