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Satt Sauber Sicher

Titel: Satt Sauber Sicher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Bernemann
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Roland vorbei, an seiner Frau sowieso, und genießt ein viertes Stück Apfelkuchen mit Sahne.
    Roland sieht nicht mehr den Sinn seines Hierseins. Im Kopf ist wieder Ruhe. Das kennt er doch: dieses Problemetotschweigen. Das ist seine Familie. Stinkende Tiere, die ihre Köpfe in Essen und Dummheit versenken. Die an der Oberfläche leben, weil unter ihnen Unbekanntes lauert, Unbekanntes und Beängstigendes. Also, nicht die Oberfläche zerkratzen, auf der man geht. Zur Sicherheit aller Beteiligten. Das Fremde unterdrücken, Mitgefühl ist Schwäche. Aber wir sind doch gute Eltern, werden sie sagen. Das werden sie auch auf seiner Beerdigung sagen, wenn Karla dann ihren Verwandten Kaffee einschenkt. Wir waren immer gute Eltern, wird sie sagen.
    Roland muss sich verabschieden. Er kann einfach nicht mehr hier sein. Hier in diesem deutschen Irrenelternhaus. Er schaut auf ein Foto von sich und seinem Bruder, ein Foto aus pseudoglücklichen Kindertagen. Ein Kettcar, ein Dreirad, zwei Brüder. Das hängt alles an der Wand und wird da auch noch ewig hängen so wie die ahnungslosen Schuldschultern seines geliebten Vaters. Roland ist in so was von Abschiedslaune trotz melancholischer Elternliebe. Bleibt noch für Minuten mit seinem Blick an diesem Bild hängen. Steht dann auf und muss mal. Das, was er aber muss, ist verschwinden. Durch die Haustür. Hubert und Karla hören, wie der eigentlich zur Toilette ausgetretene Sohn aus dem Haus geht. Wieder mal. Sie bleiben sitzen und geben einander gedanklich die Schuld dafür. Dann trinken sie weiter Kaffee und essen den wunderbar verdorbenen Apfelkuchen. Festgefahrenheit ist dafür kein Ausdruck. Dafür gibt es kein Wort.
    Dafür gibt es kein Wort, denkt auch Roland am stillen Bahnhof, dagegen gibt es lediglich Maschinengewehre, die die gute Stube blutig spülen. Oder Liebe, die auf Bäumen wächst, die aber nicht hier in dieser Gegend wachsen. Seine Familie ist immun gegen diese Art von Liebe, die Roland sich ausdenkt.
    Er hat wieder einmal bewiesen, dass Emotionslosigkeit nicht vererbbar ist. Er hält sich mit diesem Gedanken etwas zu lange auf. Aber dafür hat er keine Zeit. Emotionslos und trotzdem voller Wut und Verzweiflung wartet er auf den letzten Zug. Er fährt nach Frankfurt. Sterben. Wie oft geht in diesem Leben noch die Sonne auf? Wie viele Kaffee kann Roland noch trinken? Wie viele Worte noch sprechen? Gehen noch gute Gedanken zum Denken? Geht noch Liebe zu sich selbst? Geht noch ein Zug in die Vergangenheit? Oder zumindest einer in die Stille seiner Wohnung? Seine Eltern im Rücken. Da sitzen sie an der Tafel der Unerkenntnis und erkennen nicht einmal sich selbst.
Vater, Mutter, Anstalt
    Die Nacht über dem Haus. Die Nacht in Bereitschaft. Dunkler wird's nicht. Der Himmel voller Sternakne. Leuchtende Pustel und Pickel erfreuen die Durchs-Teleskop-Gucker, eine der langweiligsten Menschensorten auf der Welt. Die sähen auch Gottes linke Hand, die aus dem Himmel ragt, wenn es sie interessieren würde. Gottes linke Hand kratzt Gottes schlecht rasiertes Gesicht. Niemanden interessiert das. Die Forscher und Hobbyzeittotschläger gucken nur die kleinen Punkte an und meinen, darauf gibt es Wasser und Leben und Aliens und Raumstationen und diesen ganzen Mist. Gott im Himmel interessiert sie nicht, auch wenn sie ihn sehen, gucken sie vorbei, um die Marswarze näher ins Visier zu nehmen. Der Himmel ist aus Haut, schlecht gepflegter Haut. Gott denkt über seine Schöpfung nach. Sie ist ihm gut gelungen, dennoch in den letzten Jahren massiv verloren gegangen. Nun ja, da die Menschen mehrheitlich der Religion des Kapitalismus frönen, ist er in seiner Funktion als Gott ein wenig out. Leute hängen lieber in Konsumtempeln ab, anstatt sich ernsthaft mit ihm zu beschäftigen. Gottes Name hält nur noch her, wenn es darum geht, einen neuen Krieg zu rechtfertigen oder Menschen in traditionelle Korsetts zu pressen. Nicht mehr trendy, der gute Gott. Und seine Vertreter auf Erden verleugnen oder verharmlosen den Ernst der Lage. Veränderung bringt Linderung.
    Katholische Häuser. Die Nacht über katholischen Häuserdächern. Darunter, unter diesen Dächern, die Denker und Nichtdenker. Alle. Gottes Hierarchie greift auch hier. Greift an. Es ist eine sogenannte gute Wohngegend. Besser wäre sie, wenn nicht diese blöde Anstalt mit diesen lauten Menschen darin wäre.
    Gott hat lange keine guten Menschen mehr produziert. Deswegen wundert er sich nicht über humanistische Abgründe, wenn er alle paar

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