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Satt Sauber Sicher

Titel: Satt Sauber Sicher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Bernemann
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ihren gemischten Emotionen. Will in hysterisches Lachen ausbrechen und bricht dann in hysterisches Lachen aus. Hubert hingegen sucht Sauerstoff im luftleeren Raum um sich, sieht die Hysterie in Karla und ihren ganz eigenen Humor. Dann verscheidet Hubert still, auf irgendeine Art trotzdem zufrieden mit dem Ende. Das wird in circa vier Jahren passieren. Der einzige Weg hier raus ist Umfallen und Liegenbleiben, weiß Hubert und diese Vorahnung macht ihn müde. Der Punkt ist erreicht, wo eine Umkehr in gesundes Denken ausgeschlossen ist. Da ist zwar ein winziges Aufbegehren in Hubert, das ungefähr Sachen sagt wie in diesem Lied von Alec Empire. Das kennt Hubert natürlich nicht, woher auch. Aber dieses Lied symbolisiert Huberts Gefühl zu seinem Leben. Der Gestank des Lebens, der an einem klebt und den man eigentlich runterduschen könnte, wenn man noch wüsste, wo die Dusche ist, aus der es Freiheit und geordnete Gedanken regnet. Das Lied sagt:

... break the silence and break it now fight the fucking liars

and take 'em down the point of no return and everything will change ... I dream of waking up and feeling just fine but when I do I never do this horror can only consume you if you allow it to when you're this deep in shit every ray of hope looks like a trick of light and every day you wanna break 'em down and your only goal is to survive ...
Alec Empire - The point of no return
    Das TV-Gerät macht weiter seine Arbeit. Es macht das, was kommt, und was nicht kommt, passiert trotzdem, ohne dass Hubert und Karla darüber wissen. Fernsehen um zwanzig Uhr paart Vernunft und Stimme, paart Arsch und Sofa und vereint Ehepaare, die sich hassen, in Räumen, die zu sauber zum Leben sind. Fernsehen macht die Stille aus. Und sie verkümmern unter Trümmern. Und sie trauern hinter Mauern. All das. Und die Stille ihrer Herzen wird ersetzt durch Ereignisse, die ein höheres Gremium für wichtig erachtet.
    In der Jetzt-Welt und Gerade-eben-Zeit zerreißt das mechanische Surren eines Telefons die Stille. Das rustikale Wohnzimmer erlebt diesen Klang wie unter Betäubung.
    Karla in einem Zucken begriffen, Hubert ignoriert das Geräusch, er hat in den ungeschriebenen Gesetzen dieses Haushaltes keine Befugnisse, ein klingelndes Telefon zu berühren. Karla ist nach dem Zucken auf ihren Beinen, der Kopf dreht sich virtuos umher, denn das Umschalten von den Nachrichten in die Realität ist immer schwer, besonders wenn ein Nerven folterndes Telefon in eine verrückte Stille surrt. Karla in höchster Alarm- und Terrorbereitschaft. Ein klingelndes Telefon als Auslöser einer Gedankenvielfalt. Wer mag es sein? Die Söhne kommen zurück und vervollständigen das Mutterleben? Die Lotterie zahlt uns aus? Es ist Gott, der uns sagt, alles ist nur ein großer Irrtum und das Leben, das wir leben, gehört eigentlich anderen Leuten und wir sind eigentlich Könige oder Agenten und die Tristesse um uns können wir einpacken und umtauschen in ein Pool-, Sauna- und Solarium-Wellness-Leben. Danke Gott, ich hab mir so was schon gedacht. Der Mann ist übrigens auch falsch hier, den bitte auch zurücknehmen und stattdessen Karel Gott oder Sascha Hehn zum Bedürfnisbefriedigen, bitte. Danke.
    Nein, Gott ist nicht am Telefon, es ist die verdammte Polizei, ein Mensch mit einer Nachricht beginnend mit: "... es tut mir Leid ... Wir müssen Ihnen mitteilen, dass Ihr Sohn ... in seiner Wohnung ... tot aufgefunden ..." Karla wird mit jedem Wort kälter. Sie wusste es doch, aber es kann doch nicht wahr sein. Sie kneift sich so fest es geht in den Oberschenkel. Tja, der kommende Schmerz bezeugt und beweist lediglich die Realität. Karla in ihrer Kälte. In Karla irre Kälte. Erinnerungen an ein spielendes Kind. Ein Dreirad. Ein Puzzle. Eine Geburtsszene. Ein kleiner Kopf. Ein zerbrechlicher Körper. Schreie. Mama. Mama. Mama. Karla legt den Hörer auf und schleicht ins Wohnzimmer. Hubert stumm und dumpf, aber vorhanden. Karla sagt ihm zusammenfassend, was sie weiß über das Sterben ihres Kindes. Ihre Stimme ist einZittern, ein zerbrechliches Gebilde, das jeden Moment umstürzen kann. Hubert beginnt ein zögerndes Schluchzen, Karla ein hysterisches Weinen. Trauer ist im Haus. Das Kind ist tot.
    Es ist noch Liebe da. Vergammelte Restliebe, die beide fühlen können. Hubert und Karla haben unsichtbare Willkür um sich. Die beiden umarmen sich. Vielleicht wird dann die eigene Trauer weniger, wenn man sie mit der seines Partners vermischt. Sie bilden einen Trauerkomplex aus

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