Satt Sauber Sicher
aber nach dem Abschwören von dem ganzen romantischen Kitsch sehr realistisch und vor allem lesbisch geworden. Darin erkennen beide die Realität. Die Liebe, die wahre Liebe ist kleiner, leiser und unaufgeregter, als man sich das zuvor vorgestellt hat in romantischen Traumkulissen. Das Leben zu zweit ist etwas, dass man wollen muss und Vera und Britta sind Willens, und zwar absolut, ihr Restleben zu teilen. Beide Frauen sind des Scheiterns müde geworden. Das Umsehen hat beiden einen Teil ihrer emotionalen Kompetenz gestohlen.
Vera und Britta im internationalen Restaurant. Hier kann man sich durch die ganze Welt fressen, wenn man Spaß dran hat. Es serviert ein Spanier in einer engen Hose internationale Speisen. Gemüse und orientalische Teigwaren. Beide haben sich Wein bestellt, um die Stimmung stimmen zu lassen. Die beiden haben einen sehr gepflegten Umgang entwickelt und wohnen seit über einem halben Jahr in einer gemeinsamen Wohnung. Dort ist das Heimkommen am allerschönsten. Das alltägliche Empfangenwerden, das subtile Geküsse, das immer noch sehr, sehr frische Geficke, die gemeinsame Vorliebe für das Herbeiführen multipler Orgasmen. Der gemeinsame Kühlschrank mit allerlei Dingen. Eine Küche, in der es Spaß macht sich aufzuhalten. Gemeinsame Einkäufe, um einen Haushalt zu führen. Die Entdeckung kleiner wunder Punkte in Gesprächen auf dem Wohnzimmerteppich. Die Entdeckung von Wunderpunkten im Inneren des weiblichen Unterleibs. Wie man ein Herz zum Erblühen bringt, wissen beide.
Vera ist immer noch in der Klinik beschäftigt, hat aber mit der Valiumeinnahme glücklicherweise aufhören können. Es wäre auchfast aufgefallen. Immer fehlte was. Britta, die gescheiterte, aber gescheite Schauspielerin mit Seitenscheitel in der modernen Kurzhaarfrisur, hat eine Ausbildung als Fleischwarenfachverkäuferin begonnen. Ein unspektakuläres, leises Leben hat sie sich gewünscht und das hat sie jetzt inmitten toter Tierteile. Würstchen, Schnitzel, Geschnetzeltes, Aufschnitt, Hackfleisch umgeben Britta täglich. Da steht sie dann gut gelaunt hinter ihrer Theke und grinst in die Gesichter der Fleischfresser, sie selbst isst vegan. Manchmal denkt sie an Fred Fantasy und auch an Linda, die Pornoqueen ohne Bewusstsein. Sie denkt auch gerne an Iris Berben und an die Güte, die sie ausstrahlt, aber sie liebt Vera. Vera, die Ruhepolin. Vera, die Mülleimerin für Brittas Gedankenkonzepte. Vera, die Aufbaupräparatin für wenn es schlimm ist.
Nachtisch. Britta nascht Früchte aus einer kleinen Schale. Vera schaut ihr dabei verliebt zu. In diesen Blick legt Vera alles rein, was geht. Britta lässt eine Erdbeere in ihrem Mund zergehen und hat was aus Metall im Mund, was sie sich dann in die Hand spuckt. Ein silberner Ring. Verdammte Scheiße. Ein Ring aus Silber. Vera guckt immer noch verliebt. Dieser Ring ist eine Botschaft aus Metall. Er hat keinen Anfang und kein Ende, ist sauhart und unzerstörbar. So will Vera die Liebe haben. So aus Metall. Deswegen der Ring. "Willst du mich heiraten?", Veras Worte flüstern sich an die andere Tischkante und Britta leckt sich über die Lippen, bevor sie ein äußerst sensibles und einverstandenes "Ja" haucht. Da blitzen silbrig glänzende Tränen hervor. Die kommen aus den Augen, aus der Seele, aus der Echtheit der Existenz. So geht Romantik. Beide Frauen von Glückswellen umspült. Mitten im internationalen Restaurant ehelichen sich zwei Gestalten. Imaginärer Glockenklang. Das macht süchtig, weil es sich so richtig anfühlt. Die beiden Frauen machen sich Gedanken über die Verwaltung ihrer Zukunft. Die Kellner gucken dumm.
Sind zwar in der EU, aber gucken dumm, vielleicht auch deswegen. Die beiden Frauen bestellen sich im Was-kostet-die-Welt-Stil Sekt. Vera setzt sich neben Britta und Küsse regnen über Gesichter. Wie schön. Wie wunderschön.
Als Britta und Vera dann abends auf dem Wohnzimmerfellteppich nach zwei Flaschen Bier zum Liegen gekommen sind, erzählen sie sich Geschichten. Ihre Gedanken drehen sich wild im Kreis. Sie beginnen eine Hochzeit zu planen mit zwei Brautkleidern. Sie überlegen sich Gäste, sie überlegen sich Nahrung für die Gäste. Sie überlegen sich die Zukunft in Liebe und finden sich überragend realistisch. Dann trinken sie ihr Bier aus und gehen zufrieden schlafen.
Zusammen unter einer Bettdecke, ganz dicht und ganz warm legt sich ein sanfter unsichtbarer Brautschleier auf die beiden. Die Draußengeräusche interessieren nicht mehr. Eine ferne
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