Satt Sauber Sicher
sein?" Er antwortet sich: "Natürlich, du kannst alles sein. Jenseits aller Grenzen." Erzieher wie er und Bauarbeiter wie sein Vater geben Menschen ein stabiles Zuhause. Der Rest ist doch nicht relevant.
Sein Schlafzimmer, wie auch sein sonstiges Leben, ist sehr praktisch gestaltet. Mitten im Raum ein Bett. Gegenüber davon ein Kleiderschrank. Neben dem Bett steht eine Art Ablagetischchen, darauf ein Aschenbecher, eine Zeitung und eine Kaffeetasse mit vor Tagen erkaltetem Kaffee, der einen ganz eigenen Geruch entwickelt hat. Kalter Kaffee im Herzen der tolerierbaren Einsamkeit. Gemischt mit dem Flavour von eben genannten erloschenen Zigaretten. Die Summe eines Lebens.
Peter liegt auf dem Bett und Punkrock der melancholischeren Sorte blockiert sein Hirn. EA 80. Eine wunderbare Band, denkt Peter. Eine Stimme, die eine sonderbare Mixtur aus Wut und Melancholie transportiert. Gitarrenwände, an denen kein Ohr vorbei kann. Ein Schlagzeug, das eine Durchdringlichkeit hat. Die Summe dieser Einzelteile fasziniert Peter. Er liegt da, hat sich Obst besorgt und genießt seinen Feierabend. Es war ein unspektakulärer Frühdienst.
Peter ist wütend, wütend auf den Rest seines Lebens und wütend auf seine Vergangenheit und sein Nichtklarkommen mit der beschissenen Gegenwart. Peter ist melancholisch. Deswegen passt das. In Melancholie liegt ja extrem viel Wärme. Liegend konsumiert Peter einen grünen Apfel und die EA 80-Platte Schauspiele. Die kommt mit zwölf Liedern daher, die alle Peters Herz genau in der Mitte treffen. Herzknisterpunk. Die Musik ist ihm ein guter Freund, vielleicht sogar der beste. Musik gegen Alltag. Musik gegen die erschreckende Norm. Musik. Für den Kopf und für den Körper. Musik ist ein ganzheitlicher Ansatz. Vom aufständischen und vollständig autonomen Punk-Peter vergangener Tage ist aber nur die Musik geblieben. Zumindest etwas.
... doch wahrscheinlich werd ich belassen Bei den eigenen kleinen Sorgen, Die oft so belanglos Und doch so tödlich sind.
EA 80 - Einleben
Der letzte Akkord verklingt. Der Apfel ist Geschichte und Peter bringt den Rest zum Biomüll. Bewusstes Arschloch. Er ist kein Öko oder so was, trennt aber seinen Müll oberkorrekt. Wahrscheinlich ein genetisches Mitbringsel aus seiner kaputten Familie. Die Mutter, die war auch so, überall musste Ordnung sein, sonst war die Welt im Arsch und eine Welt im Arsch kann sich keiner leisten. Peter geht zum CD-Player. Ihm ist nach Klassikern. Er fummelt ein Cure-Album aus dem CD-Ständer und möchte die Welt heiraten, als er dieses alte Gefühl plötzlich spürt, das Cure-Lieder in ihm auszulösen imstande sind. Er hat sich für das Album Bloodflowers entschieden und in ihm entstehen verwirrende virtuelle Bilder, wie er mit seiner letzten Freundin nach Holland an die Nordseeküste aufgebrochen ist und die beiden in frühmorgendlicher Stille genau diesem Lied gelauscht haben und sich danach außerhalb Deutschlands beziehungsweise außerhalb der normalen Denkwelt befanden. The Cure können das. Magie in Worten. Magie in Gitarren. Zauber im Wohlklang. Die Freundin ging irgendwann, aber das Gefühl zu dieser Musik blieb.
... and I know we have to go I realize we always have to turn away
always have to go back to real lives but real lives are why we stay for another dream another day ...
The Cure - Out of this World
Die Schönheit der Klänge lässt Peter einen Traum wagen. Die Schönheit der Klänge ist die Schönheit der Klage. Lässt ihn wie ein gut bemuttertes Kind ganz regulär ermüden. Dann blinzelt er, eine Sache, die vor dem Schlaf passiert. Peter hat die Freiheit zu schlafen. Er hat es sich verdient, die soziale Sau.
Peter fällt in einen Traum. Er ist der einzige Gast eines Schwimmbades. Sein Vater ist der Bademeister, der dauernd Dinge schreit wie: "Nicht vom Beckenrand springen!" oder "Startblock gesperrt!". Seine Mutter betreibt in diesem virtuellen Schwimmbad eine Art Imbiss, sie verkauft Wurst, Pommes und Scheuermilch. Auf dem Beckengrund liegt Roland, Peters Bruder, und erzählt kleine, lustige Kindheitsanekdoten. Er erzählt in seinem kleinen, versponnenen, eigentlich nie da gewesenen Realitätsüberfluss kleine Geschichten des nebeneinander Aufwachsens. Rolands Worte werden eine große Anklage, mangelnde Brüderlichkeit thematisierend. Der Traum endet in einer Blaufärbung. Personen und Worte, alles wird zu einem magischen Blau. Blau. Blau. Blau. Beruhigung. Alles bläut sich in seine Welt und kurz vor dem Aufwachen sind
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