Satt Sauber Sicher
Fahrradklingel oder das Geschrei eines besoffenen Deppen, nichts ist mehr von Belang unter dieser Decke, unter diesem Schleier. Zwei Menschen, geschaffen für einen Splitter Ewigkeit. Kein Schmerz, kein Neid, nur Zeit. Es gleitet ein gnädiger Schlaf ins dafür vorgesehene Zimmer und wird Bestandteil der Gelassenheit.
In der Mitte der Nacht spürt Vera Traumbefall. Das ganze Glück, das die ganze Scheiße rausspült, ist so ungewohnt. "Verlassen", stöhnt Vera im Schlaf, "ich kann mich auf dich verlassen." Britta ist noch wach, hört das und ihre Augen beginnen zu glitzern, weil sie hofft, Veras Trauminhalt zu sein. Ist sie auch, in Veras Kopf tanzt eine lesbische Ehe den Tango der Erkenntnis. Feste Umarmungen signalisieren die Entschlossenheit. Das Schlafzimmer ist dunkel, Britta sieht nur schemenhaft den neben ihr liegenden, im Traum befindlichen Körper. Sie schickt ihm gedanklich alle Liebe, die sich in ihr befindet. Das ist nicht viel, aber immerhin alles.
Ich: Innenministerium
Eine Schüssel Desinteresse am Leben. Manchmal reicht die bloße Existenz. Das Sein. Die Eigentlichkeit. So wie der Mensch gemeint ist, so guckt er sofasitzend aus seiner Wäsche. Bewegen muss er nichts. Nicht mal den eigenen Körper. Der Kopf regelt alles in einer gelassenen Selbstverständlichkeit. Der Atem geht ein und aus, bis der Mensch ein- und sein Licht ausgeht. Peter ist im Netz seiner Gedanken verstrickt, hätte gern einen Routenplaner, der ihn zur möglichen Ausfahrt führt. Aber da ist nur Kreisverkehr. Auch gut. Nehmen, was kommt. Schlucken, was passiert. Vermeiden, was weh tut. Peter ist nicht interessiert an radikaler Selbstanalyse. Eigenwahrnehmung kann ganz schön anstrengend werden.
Peter ist glücklich und unglücklich zugleich. Peter lacht. Er überlegt sich was über Politik. Peter lacht. Er ist fröhliche Zerbrochenheit. Peter lacht. Er ist ein stummes Manifest. Peter lacht. Er überlegt sich was über Sex. Peter lacht. Er denkt an ein kleines Grab, in dem sein Bruder ...
Peter zögert ...
Peter raucht.
Peter.
Entgleist in Zigarettenzügen.
Er überlegt sich was über Gott. Gott lacht. Peter lacht. Er überlegt sich was übers Sterben und Totsein. Die Tod lacht. Peter lacht. Er macht sich Musik an. EA 80.
... es wird verherrlicht Es wird gepriesen, Bis es helfen muss Zu jeder Zeit. Es hält dich gefangen Die schöne Welt, Bis du gar nicht mehr fühlst, Dass du gar nicht mehr fühlst ...
EA 80 - Kann nicht heilen
An der Wand hängen Punkrockdevotionalien. Nazis raus. Schieß doch Bulle. Fuck the police. Ihr könnt uns nicht vernichten, denn wir sind ein Teil von euch. We are all prostitutes. All die verbogenen Slogans. Peter war mal gut dabei. In einer Jugendkultur, die dem Bürgertum in den Arsch treten wollte. Peter war auf den sogenannten Chaostagen 1995 in Hannover, als Punks wie er für Minuten die Macht im Land hatten, denn die Polizeiwar auf der Flucht vor ihnen. Er weiß es noch genau. Ein besetztes Haus. Davor die Bullen in futuristischer Kampfpanzerung. Alles wurde zu Wurfgeschossen umfunktioniert. Flaschen. Dosen. Stangen. Alles flog durch die Nacht in Hannover damals im August 1995 und die Bullen mussten sich zurückziehen des Beschusses wegen. Man hatte gewonnen, bis dann schwereres Gerät aufgefahren und das Haus geräumt wurde. Mensch dachte kurz, Mensch sei im Wandel, doch Mensch hatte nur Angst vor sich selbst. Peter dachte im Augenblick seiner Verhaftung, dass er doch auch nur Angst haben kann. Typisch Mensch. Schädliches Gedankenmachen, aber die Hannover-Erinnerung hatte doch eigentlich was Gutes. Sie beinhaltet noch einen von Punks aufgebrochenen und ausgeraubten Penny-Markt. Peter vermisst die Anarchie, die mal sein Leben geleitet hat.
Die gute alte Zeit hängt da an der Wand. In Form von Konzerttickets, Tourplakaten und Fotos. Bunte Wände, die Zeugen einer verwundeten Seele sind. Eine Seele machen Wunden doch erst schön. In der Wohnung riecht es nach kaltem Rauch. Erloschene Zigaretten erzählen keine Geschichten, sondern ein Bewusstsein. Kalte Asche. Zusammengefaltete Filter. Hier im Aschenbecher des Lebens.
Das Gehirn in Bewegung. Der Restkörper liegt lediglich da. Das Gehirn stößt an die Grenzen des Kopfes und Peter erkennt den Stillstand seines eigenen Seins. Seine eigene geistige Behinderung lockert mentale Fesseln. Peter sieht sich als unwichtiges Rad im System. Sein Stillstand ist maximal belanglos. Er fragt sich: "Wenn ich schon so begrenzt bin, dann kann ich doch alles
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