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Saubere Verhältnisse

Saubere Verhältnisse

Titel: Saubere Verhältnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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aus dem Fenster. Sein Körper verströmte einen kellerartigen Geruch von kaltem Schweiß.
    »Ganz normale, teuflische Angst. Das hat er jedenfalls gesagt, der Doktor. Aber ich weiß nicht. Angstzustände habe ich schon lang. Aber das, das war so physisch. Das war fast schön. Endlich war ich einmal richtig krank, dachte ich. Ein Herzinfarkt, das ist wenigstens etwas Konkretes. Aber natürlich bekommen nur so Leute wie Staffan einen Herzinfarkt.«
    Bei ihm klang es wie eine besonders erstrebenswerte Auszeichnung.
    »So Leute wie ich haben nur Angstzustände. Na, ein Glück, daß wir keinen Krankenwagen gerufen und uns blamiert haben, Nora.«
    Sie lächelte und schaute ihn von der Seite an. Er hatte jetzt die Hände ordentlich gefaltet und sah aus wie ein enttäuschtes Kind, dem man ein Geschenk weggenommen hat. Die Sporttasche hatte er wieder auf dem Schoß. Er hatte sie ihr auch nicht gegeben, als er beim Arzt war, er hatte sie mitgenommen. Sie fragte sich, was wohl drin war. War er sicher gewesen, stationär aufgenommen zu werden, und hatte er deshalb Toilettensachen dabei?
    »Wenn Helena hiergewesen wäre, hätte ich nicht ins Krankenhaus fahren müssen. Meine Frau ist Krankenschwester. Sehr tüchtig.«
    Yvonne schluckte. Er merkte es offenbar.
    »Aber du bist auch sehr tüchtig, Nora«, fügte er schnell hinzu. »Wie du Auto fährst! Du fährst wie eine Rallyefahrerin. Ich war beeindruckt, das muß ich zugeben.«
    Sie lachte.
    »Ich hoffe, ich bin an der Ampel nicht geblitzt worden. Die Polizei wäre nicht beeindruckt.«
    »Helena fährt nicht so dreist wie du, Nora. Aber sie ist sehr …«
    »… tüchtig?« fügte Yvonne hinzu.
    »Ja. Eine sehr tüchtige Autofahrerin, genau wie du, Nora.«
    Sie fuhr rückwärts in die Einfahrt seines Hauses und stellte den Motor ab.
    »Geht es jetzt besser?«
    »Ja. Aber ich komme mir blöd vor. Ich habe wirklich gedacht, daß es das Herz ist.«
    »Diese Tabletten, die ich geholt habe, was ist das?«
    »Stesolid. Ich nehme sie bei Bedarf. Wenn ich unruhig bin. Mir geht es manchmal sehr schlecht, Nora.«
    Sie nickte verständnisvoll.
    »Der Arzt in der Notaufnahme hat mich krank geschrieben. Ich werde also die nächsten Wochen zu Hause sein. Ich bin erschöpft. Ich dachte …«
    »Ja?«
    »Ich weiß, daß du noch einen anderen Job hast, Nora. Du putzt noch in einem Büro, ja? Könntest du vielleicht noch einen weiteren Tag pro Woche herkommen? Ich wäre dir sehr dankbar.«
    Er schaute sie an, als hätte er etwas Schreckliches gesagt und würde jetzt auf sein Urteil warten.
    »Sag ruhig nein, wenn es nicht geht«, fügte er rasch hinzu.
    »Ein Tag mehr könnte vielleicht gehen«, sagte Yvonne. »Donnerstag? Aber dann am Nachmittag, vormittags kann ich nicht.«
    Er strahlte.
    »Dann machen wir es so. Donnerstag nachmittag. Und heute brauchst du nicht mehr putzen. Fahr jetzt nach Hause, Nora. Ich glaube, wir brauchen beide etwas Ruhe nach dieser … Aufregung.«
    Er streckte seine linke Hand über den Schalthebel und streichelte ungeschickt den Teil ihres Körpers, den er erreichte, es war ihr Knie. Er zog die Hand schnell wieder zurück, als ob er Angst hätte, sie könnte die Geste falsch auffassen.
    »Danke für alles, Nora«, flüsterte er. »Ich werde mich natürlich für deine Hilfe erkenntlich zeigen, das machen wir nächstes Mal.«
    »Absolut nicht. Für so eine Hilfe nehme ich kein Geld«, sagte Yvonne.
    Zu Hause verbrachte sie ein paar ruhige Stunden allein, bis Simon aus der Schule kam. Sie machte Fleischklößchen aus Rindfleisch, das sie auf dem Heimweg eingekauft hatte, sie rollte perfekte Bällchen, ohne Zwiebeln, weil Simon keine mochte, und sie briet sie in der Pfanne, während daneben das Nudelwasser kochte. Jörgen war verreist. Sie glaubte, nach München, oder war es Frankfurt?
    Nach dem Essen schauten sie zusammen fern. Es war eine Science-fiction-Serie, Simon verpaßte keine Folge, aber Yvonne hatte sie noch nie gesehen. Sie hatte Probleme zu folgen und lehnte sich schläfrig im Sofa zurück. Ihre Gedanken kreisten um Bernhard Ekberg und seine merkwürdige Angstattacke. Sie erinnerte sich an sein atemloses, gekeuchtes Gemurmel im Auto – »Verzeih mir, Helena, verzeih mir, Helena« – verzweifelt, klammernd, beinahe rituell. Wie eine Art Gebet. Und seinen beschämten Blick auf dem Heimweg, und daß er sie auf einmal geduzt hatte. Seine großen, braunen Augen. Traurig und bittend wie bei einem Kind.
    Als sie halb schlafend Simon neben sich spürte und die

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