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Saubere Verhältnisse

Saubere Verhältnisse

Titel: Saubere Verhältnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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Nase, hohe Wangenknochen und eine deutliche Lücke zwischen den Vorderzähnen. Man kann nicht sagen, daß sie schön war, aber sie hatte etwas Fröhliches, Gesundes und Starkes.
    Yvonne steckte das Foto schnell wieder zurück. Als sie noch einmal die Außentaschen untersuchte, fand sie die Tabletten unter einem Handschuh. Sie holte in der Küche ein Glas Wasser und reichte es Bernhard zusammen mit den Tabletten. Er konnte fast nicht schlucken, weil er so keuchte, aber schließlich schaffte er es.
    Die Tablette schien fast sofort zu wirken, seine Atmung verbesserte sich unmittelbar, aber er schüttelte den Kopf und flüsterte heiser:
    »Ich glaube nicht, daß das hilft. Es ist ein Infarkt. Staffan in der Bank hatte letztes Jahr einen. Es war genauso. Ich erkenne die Symptome.«
    »Dann müssen Sie so schnell wie möglich in ein Krankenhaus«, sagte Yvonne. »Ich rufe einen Krankenwagen.«
    »Nein, ich habe das Auto in der Garage. Haben Sie einen Führerschein, Nora?«
    Sie nickte.
    »Schlüssel sind in der Kommode in der Diele.«
    Das Auto war natürlich ein Volvo, wie alle anderen im Vorort, aber es war kein Kombi. Sie fuhr ihn auf die Straße und ging dann hinein, um Bernhard zu holen.
    Sie fand ihn auf einem Stuhl in der Diele, er hatte das Tweedsakko an und eine kleine Sporttasche auf dem Schoß. Er schien jetzt in einem anderen Stadium zu sein. Er zitterte und klapperte mit den Zähnen als hätte er Schüttelfrost. Yvonne fragte sich, ob das wirklich ein Herzinfarkt war.
    »Das Auto steht draußen. Komm«, sagte sie.
    Beim Wort »Komm« stand er auf wie ein Hund auf Kommando und folgte ihr. Sie hielt ihm die Beifahrertür auf, und er zwängte sich hinein, die Tasche hielt er immer noch auf dem Schoß. Sie erbot sich, sie in den Kofferraum zu legen, aber da schüttelte er so heftig den Kopf, daß die Zähne klapperten wie Kastagnetten.
    »Wenn ich jetzt sterbe, Nora …«, flüsterte er, während sie so schnell wie möglich den Phloxweg entlangfuhr und dabei nach Katzen und spielenden Kindern Ausschau hielt.
    »Hören Sie auf mit den Dummheiten. Sie werden nicht sterben«, sagte sie barsch.
    Als sie merkte, daß der harsche Tonfall beruhigend auf ihn wirkte, fuhr sie im gleichen Stil fort:
    »Das ist kein Herzanfall, das ist etwas anderes. Holen Sie ein paarmal tief Luft und lehnen Sie sich zurück. Versuchen Sie, sich zu entspannen. Tief einatmen. Wenn man hyperventiliert, wird man ohnmächtig.«
    Er lehnte sich in den Sitz und versuchte, ihren Anweisungen zu folgen. Seine Hände drückten krampfhaft die Sporttasche auf dem Schoß.
    Sie hatte natürlich keine Ahnung, ob das ein Herzinfarkt war oder nicht. Sie beschloß, so zu fahren, als ob es einer wäre, und mit Bernhard zu reden, als ob es keiner wäre. Sie fuhr zweimal über Rot und überholte einmal so waghalsig, daß Bernhard sein Keuchen vergaß und einmal richtig Luft holte, vor lauter Schreck und Hochachtung.
    »Mein Gott, wie Sie fahren, Nora!«
    Dann fing er wieder zu keuchen an, kurz und stockend, in seinem Jammern konnte Yvonne die Worte ausmachen »genau wie Staffan, die gleichen Symptome«, und plötzlich, sehr leise, er drückte das Kinn auf die Brust und rieb die Hände auf der Tasche, kam etwas wie »Verzeih mir, Helena, verzeih mir, Helena!« In der Notaufnahme waren natürlich viele Leute, aber als Bernhard etwas von Herzinfarkt gekeucht hatte, wurde er sofort vorgelassen. Bevor er der Schwester durch den Flur folgte, drehte er sich zu Yvonne um und sagte:
    »Sie warten doch, Nora?«
    »Na klar.«
    Er sah ängstlich aus, und sie konnte den Impuls nicht unterdrücken und strich ihm leicht über die Wange. Er lächelte scheu.
    Als er nach etwas mehr als einer halben Stunde wieder am Ende des Flurs auftauchte, war er wortkarg und ruhig und hatte zu keuchen aufgehört. Der Arzt, der neben ihm ging, sagte etwas, was Yvonne nicht hören konnte, und schlug ihm leicht auf die Schulter.
    Yvonne stand auf und ging ihm entgegen.
    »Was war es denn?« fragte sie.
    Er schüttelte den Kopf und ging auf den Ausgang zu. Sie lief hinterher.
    »Können Sie wieder nach Hause? Soll ich fahren?«
    Ohne zu antworten, ging er durch die Glastür des Eingangs und zum Auto, das Yvonne direkt davor geparkt hatte, auf dem Platz, der für Notfälle reserviert war. Er stellte sich an die Beifahrertür und wartete, bis sie die Zentralverriegelung öffnete.
    »Angst«, sagte er, während sie ruhig und ohne irgendwelche Verkehrsregeln zu mißachten zurückfuhr.
    Er starrte

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