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Sauberer Abgang

Sauberer Abgang

Titel: Sauberer Abgang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Einschläge los.
    Dann nichts. Stille, sekundenlang.
    Ein rhythmisches Geräusch, das langsam schneller wurde, ein lauter Schlag. Quietschendes Gelächter.
    »Tor! Tor! Tor!« Ein Fernseher. Ein Radio? Egal – volle Pulle. Kurz vor der Schmerzgrenze etwas leiser. Dann wieder laut.
    Er versuchte, ruhig weiterzuatmen. Maximilian und Julian waren aus der Schule zurück. Und – Überraschung! Sie hatten ihre Freunde mitgebracht.
    Der Vormittag hatte in sahniger Stille begonnen; er hatte schon gar nicht mehr an die kleinen Pestilenzen gedacht in der Wohnung über ihm. Aber jetzt versetzte sich sein Körper wieder in den Zustand äußerster Wachsamkeit, Puls und Atmung beschleunigten: Er wappnete sich gegen die nächste Lärmattacke. Streß, dachte Will mit einem Anflug von Wehleidigkeit. Begünstigt Herzkrankheiten und frühen Tod.
    Er ließ sich in den Sessel fallen, streckte die Beine von sich und ergab sich der nächsten Lärmwelle. Jemand schien direkt über seinem Kopf immer wieder hochzuspringen. Zwei balgten sich, »Du Arsch!« ächzte der eine, »Du Waschlappen!« der andere. Fast gewann er Spaß am munteren Treiben ein Stockwerk über ihm, schließlich war es das letzte Mal, daß er dessen Zeuge war. Ab morgen ging ihn das alles nichts mehr an. Und das wog sogar die Trennung von Vera auf.
    Der Gedanke ernüchterte ihn. Er betrachtete das magere Häuflein Bücher, an denen ihm etwas lag, stand auf und räumte eines davon wieder zurück ins Regal. Die anderen packte er in eine Klappkiste und stellte sie vor die Tür seines Arbeitszimmers. Seines ab morgen ehemaligen Arbeitszimmers.
    Oben quietschte es rhythmisch, bevor etwas so heftig auf den Boden bumste, daß die Fensterscheibe klirrte. Er blickte zur Zimmerdecke, erwartete, wie so häufig und immer vergebens, abgebröckelten Putz oder gar ein Loch zu sehen. Er war nicht oft oben gewesen, in der Wohnung der Familie Wagner, aber er glaubte sich zu erinnern, daß dem Fernseher gegenüber ein Bettsofa stand. Wahrscheinlich benutzte einer der Jungs es als Trampolin, bevor er hinuntersprang.
    Zu Anfang hatte er noch protestiert. Einmal übrigens zu Unrecht, da war es die Party im Stockwerk unter seiner Wohnung gewesen, die ihn beim Arbeiten gestört hatte. Dennoch war er zu den Wagners hochgelaufen, um eine Einstellung der Kampfhandlungen zu erbitten. Er erinnerte sich lebhaft an die Gesichter der beiden Jungs, wie sie brav nebeneinander auf dem Sofa saßen, jeder einen Joystick auf dem Schoß. Mit großen Kinderaugen hatten sie anklagend zu ihm aufgesehen, zu diesem Kinderfeind, der ihnen ihre harmlosen Vergnügen nehmen wollte, vor allem jenes, jeden Tag direkt über seinem Schreibtisch mit drei anderen, ebenfalls vom Zappelphilipp-Syndrom befallenen Freunden möglichst geräuschvoll fernzusehen.
    Mutter Wagner zeigte naturgemäß nicht das geringste Verständnis für seine Nöte, die im Sommer begonnen hatten, als er, vom Urlaub mit Vera zurückgekehrt, seinen ehemals so ruhigen Arbeitsplatz in ein Inferno verwandelt fand.
    Auch Vera hatte das anders gesehen. »Ja wenn du Totenstille brauchst zum Arbeiten …«
    Totenstille? Er hatte auch die Jahre zuvor jedes Husten und Schnarchen gehört und jeden Anflug eines Ehestreits zwischen Thommy und Doro, den Vorgängern der Familie Wagner. Aber wenigstens waren die beiden rechtzeitig ausgezogen und hatten sich ihr familienfreundliches Reihenhäuschen gesucht, bevor die ersten Babyschreie ertönten. Das nannte man Rücksichtnahme.
    Will ging hinüber ins Wohnzimmer, stellte sich vor die gemeinsame CD-Sammlung und überlegte, auf welche Scheibe er unter keinen Umständen verzichten wollte. Es fand sich keine einzige. Alles war eingetrübt durch die sechs Jahre mit Vera: Queen, »We will rock you« – das hatte er immer aufgelegt, wenn er dem Krach von oben etwas entgegensetzen wollte. Andrea Bocelli – um Himmels willen, das war nicht sein Ding, sondern Veras, aber sie hatten immer so traumhaft schön gevögelt dabei. Tom Waits – ja, das schon eher. Das war Musik, die Vera nicht mochte. Er zog die CD aus dem Regal und legte sie in die Bücherkiste.
    Und plötzlich war alles ganz einfach. Heute morgen noch hatte er Bilanz gezogen, hatte Vera in Gedanken vorgerechnet, was er vor sechs Jahren in ihren gemeinsamen Haushalt eingebracht hatte und worauf er deshalb einen knüppelharten Anspruch besaß. Und jetzt hätte er ihr am liebsten alles dagelassen, all den Ballast, der sich in einem Menschenleben so ansammelt. Nur

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