Sax
gewohnt, Modell zu stehen, aber wie Hubert sie gesehen hat, ist allerhand. Adam hat schon den reinen Christuskopf, und wer in Eva nicht das Beste der Muttergottes erkennt, dem ist nicht zu helfen. Nur ist die Besinnlichkeit noch ohne prüde Vorsilbe da. Trüge sie ein Kleid, sie würde es fallen lassen. Aber im Paradies nimmt sie sich erst ein Feigenblatt vor. Die Hand hält es reichlich tief – die Scham ist bedeckt, und sie wird zur Entdeckung freigegeben. So sieht sie aus, die Gott hinter seinem Dornbusch belauscht hat – warum sollen sich nur die Menschen vor ihm versteckt haben? Auch er wollte sie sehen, wie ihr sie seht, nämlich ohne gesehen zu werden, im taufrischen Reiz ihrer Scham. Was hätte es an ihrer Unschuld zu belauschen gegeben? Sünde ist es, was sexy macht. Das Feigenblatt war das erste Kleid der Frau, und schon trägt sie es als Accessoire der Verführung. Und was hält sie in der erhobenen Hand? Das Äpfelchen, welches das Drehbuch verlangt? Aber das trägt sie schon am eigenen Leib, und gleich doppelt. Eine saure Zitrone ist es, mit der sie den Mann zu locken vorgibt, theologisch korrekt – sie soll ihm zur Warnung dienen. Aber Eva zählt darauf, daß er sie ignoriert und die Früchtchen schon gesehen hat, an denen er sich vergreifen soll. Wie sie
steht,
die Frau, eine Vase, die sich nach oben und unten verjüngt! Sie schämt sich der kräftigen Wölbung nicht, die in ihrer Mitte auslädt und einlädt, denn das ist die Wiege des Mannes, das Versprechen der Schwangerschaft. Bis zum Nabel hinauf zieht sich ein Schatten der Furche, die da gepflügt sein will. Da haben wir sie im Bild, die Fülle der Spaltung!
Bis zum Nabel, was für ein Kunstfehler! Weiß er nicht, dieser Hubert,daß Eva ohne Nabel geschaffen ist, aus keinem Mutterschoß entsprungen, nur von Seiner Hand geschöpft – und dieser Hand vielleicht auch ein wenig entglitten, als sie gelähmt war von Entzücken am eigenen Werk? Ach Gott – so sicher Hubert weiß, daß Maria eine reine Jungfrau ist, so sicher weiß er, daß Eva keinen Nabel hat! Doch als Künstler, als Schilderer, braucht er den Nabel, und die Jungfräulichkeit braucht er nicht! Wohin wäre die Schöpfung als Werk der Zimperlichkeit gekommen? Sie wäre gar nicht erst erstanden, denn sie hätte nicht gewußt, wofür! Ach, der kleine Nabel! Das entzückende Grübchen der Sterblichkeit! Wie soll man nicht darauf reinfallen! Die Scham, wie sie im Lehrbuch steht, durfte Hubert nicht malen, aber den Ursprung der Scham
, in aller Herrlichkeit dazusein und nichts als da – diesen
Nabel brauchte er für sein Bild. Und
wie
er Eva braucht, das wundersam gespaltene Geschöpf! A
lles
an ihr braucht er, wozu es sich brauchen läßt, gnädig oder willig, notfalls auch ungnädig und unwillig! Seht euch Adam nur an, den braven Gottessohn, wie er sich gegen die Spaltung sperrt! Wie sein rechter Arm die Brust verwahrt, abweisend nach Gebühr und Gebot – und dann seht, wie sein rechter Fuß zugleich den Rahmen überschreitet, auch wenn der linke dabei ein wenig im Dreck versinkt! Und wie er genau in die Richtung fortschreitet, gegen die sich sein Arm verwahrt!
Der Mann muß hinaus ins feindliche Leben, nicht wahr, und je weiter er seinen Fortschritt treibt, desto sicherer begegnet er der eigenen Spaltung wieder, mit oder ohne Eva. Aber daß er ihr daran die Schuld gibt – das
behaupten
wir nicht, das wissen wir längst.
Sie
aber, liebe Freunde, Eva – schreitet sie fort? Sie steht wie eine Eins – oder eher wie eine Zwei, wohlgerundet und zart geneigt. Als wäre sie ein Flamingo, versteckt sie ihr zweites Bein, um das eine, das Bein überhaupt, das Bein
schlechthin
zur Geltung zu bringen. Seht euch an, wohin der Maler ihren Arm gelegt hat, den Feigenblattarm, um dieses wunderbare Bein noch etwas zu strecken! Stellt euch vor, wie es sich um eure Hüften schlingt, einmal links, einmal rechts – in diesem Knoten möchtet ihr wohl verenden, und mehr als einmal! Aber da wir vom Ende sprechen – es schwebt in Eden wie die Galle im Honig. Et in Arcadia ego! Nur zwei Buchstaben verschoben, und es ist passiert: aus EDEN wird ENDE. Ach Freunde – warum nur haben wir uns den Tod geholt!
Die Nacht hinter den ersten Menschen hatte sich zur schwarzen Röntgenplatte verdichtet, die Figuren begannen durchsichtig zu werden bis auf ihr Skelett.
So sehen wir aus, wenn alle Hüllen fallen, auch das schöne Fleisch, dem man lange nicht ansehen will, daß es ein Staubgewand ist. Wunderbar ist
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