Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen
vorgefallen war. Damit will ich sagen, daß die Franzosen sich ja manchmal wegen nichts und wieder nichts furchtbar erregen. Aber Freeborn ist eigentlich nicht der Mann, der solche Fehler macht.«
Untersuchungsrichter: »Was haben Sie getan?«
Herzog von D.: »Nun, sehen Sie, je länger ich mir das ansah, desto weniger gefiel es mir. Aber die Dinge einfach laufenlassen, das konnte ich auch nicht, und da habe ich gedacht, am besten gehe ich gleich zu Cathcart. Während ich noch dasaß und darüber nachdachte, gingen die andern alle hinauf, also bin ich hingegangen und habe an Cathcarts Tür geklopft. Er hat gerufen: ›Wer ist da?‹ oder ›Zum Teufel, werist da?‹ oder so was Ähnliches, und ich bin hineingegangen. ›Hör mal‹, hab ich gesagt, ›kann ich dich einen Moment sprechen?‹ – ›Na gut, aber mach's kurz‹, hat er geantwortet. Das hat mich überrascht – er war sonst nicht so unhöflich. ›Also‹, sagte ich, ›es ist so, ich habe einen Brief bekommen, der mir nicht gefällt, und da habe ich mir gedacht, am besten komme ich gleich damit zu dir und kläre die Sache. Der Brief ist von einem Mann, einem hochanständigen Kerl – alter Studienfreund –, der sagt, daß er dich in Paris kennengelernt hat.‹ – ›Paris!‹ sagte er, ungewöhnlich gereizt. ›Paris! Was zum Kuckuck kommst du hierher, um mit mir über Paris zu reden?‹
– ›Hör mal‹, sagte ich, ›du solltest nicht in diesem Ton reden, das könnte unter den gegebenen Umständen mißverständlich sein.‹ – ›Was willst du eigentlich?‹ fragte Cathcart. ›Spuck's um Gottes willen aus, und dann geh zu Bett.‹ Ich sagte: ›Bitte, das will ich ja. Der Mann heißt Freeborn, und er sagt, daß er dich in Paris kennengelernt hat und daß du dein Geld mit Falschspiel verdient hast.‹ Ich hatte gedacht, er würde sofort in die Luft gehen, aber er sagte nur: ›Na und?‹ – ›Na und?‹ sagte ich. ›Natürlich glaube ich das nicht einfach so, ohne Beweise.‹ Und daraufhin sagte er etwas Komisches. Er sagte: ›Was man glaubt, ist Nebensache – was man über einen weiß , nur das zählt.‹ – ›Soll das heißen, du streitest es nicht ab?‹ fragte ich. ›Was nützt es mir, das abzustreiten?‹ meinte er. ›Du mußt dich schon selbst entscheiden. Widerlegen kann es sowieso keiner.‹ Und dann sprang er plötzlich auf, wobei er fast den Tisch umgeworfen hätte, und sagte: ›Es ist mir egal, was du glaubst und was du tust, wenn du nur verschwindest. Laß mich um Gottes willen allein!‹ – ›Sieh mal her‹, sagte ich, ›du brauchst es nicht gleich so aufzufassen. Ich sage ja nicht, daß ich es glaube – im Gegenteil), sagte ich, ›ich bin sogar sicher, daß es ein Irrtum ist; aber immerhin bist du mit Mary verlobt‹, sagte ich, ›und da kann ich das nicht einfach auf sich beruhen lassen, oder?‹ – ›Ach so!‹ sagte Cathcart. ›Also, wenn es das ist, darüber brauchst du dir keine Sorgen mehr zu machen. Das ist sowieso aus.‹ – ›Was ist aus?‹ fragte ich. Darauf er: ›Unsere Verlobung.‹ – ›Aus?‹ fragte ich. ›Aber ich habe doch gestern erst mit Mary darüber gesprochen.‹ – ›Ich hab's ihr noch nicht gesagt‹, antwortete er. ›Also‹, sagte ich, ›das finde ich denn doch stark. Was glaubst du eigentlich, wer du bist, daß du herkommst und meine Schwester sitzenläßt?‹ Nun, ich habe dann noch so einiges gesagt. ›Mach, daß du hinauskommst‹, habe ich gesagt. ›So einen Schweinehund wie dich kann ich hier nicht brauchen!‹ – ›Ich gehe auch‹, sagte er, und damit ließ er mich stehen, lief die Treppe hinunter, zur Haustür hinaus und schlug sie laut hinter sich zu.«
Untersuchungsrichter: »Was haben Sie daraufhin getan?«
Herzog von D.: »Ich bin in mein Zimmer gegangen, das ein Fenster über dem Wintergarten hat, und habe ihm nachgerufen, er soll sich nicht wie ein Narr aufführen. Es goß in Strömen, und scheußlich kalt war's. Er ist aber nicht zurückgekommen, und ich habe Fleming angewiesen, die Tür zum Wintergarten offen zu lassen – falls er sich's noch anders überlegte –, und dann bin ich zu Bett gegangen.«
Untersuchungsrichter: »Welche Erklärung können Sie für Cathcarts Verhalten geben?«
Herzog von D.: »Keine. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Aber ich glaube, er muß von dem Brief irgendwie Wind bekommen und gewußt haben, daß sein Spiel aus war.«
Untersuchungsrichter: »Haben Sie über die Angelegenheit mit irgend jemandem
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