Scarlett – Die Liebe hat Augen wie Eis, der Tod hat Augen wie Feuer: Roman
Marco braucht sie jetzt dringender als ich: Er ist am Beginn seines Lebenswegs und muss noch viele Antworten finden.
Black kommt ins Zimmer. Er reibt sich an meinen Beinen und hüpft aufs Bett. Wenn Mama das sehen würde …
»Toby!«
»Was?«
»Er heißt Toby, mein Sternenball heißt Toby! Wir beide gehen jetzt schlafen. Gute Nacht, Scarlett.«
»Gute Nacht, kleiner Frosch.« Ich verpasse ihm einen Kuss auf den Kopf.
Dann lasse ich mich aufs Bett sinken. Black legt sich auf meinen Bauch, und unter seinem leisen Schnurren finde ich meine Ruhe wieder.
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W ir treffen uns dann um zwei auf der Piazza del Campo.«
»Weißt du, wie viele Leute dort sein werden? Da kannst du genauso gut sagen, dass wir uns gar nicht treffen!«
»Okay, dann eben vor dem Brunnen. Sagst du es Laura und Genziana?«
»Ja, gut. Ich sage Genziana Bescheid, die gibt es dann an Laura weiter. Außerdem kommt sie bestimmt mit Lorenzo, und der wird Pietro mitbringen.«
»Bis später.«
»Nein, warte! Du hast mir noch nicht gesagt, was du anziehst.«
»Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.«
Sobald ich den Hörer auflege, macht sich Sehnsucht in mir breit. Ich erinnere mich an das erste Mal, dass ich die Dead Stones gesehen habe. Ich hatte so schreckliche Klamotten an! Aber Mikael hat mich trotzdem bemerkt.
Ich hatte mich eigentlich entschieden, das Konzert am Ersten Mai ausfallen zu lassen. Wieder einmal aus Angst.
Mikael war dieser Auftritt sehr wichtig, er hat mir schon vor Monaten davon erzählt. Aber jetzt ist er verschwunden. Allein bei dem Gedanken, dass ich dieses Konzert erleben soll, ohne dass er dort ist, stürzt mich in tiefe Melancholie.
Ich hatte also beschlossen, darauf zu verzichten, aber beim Aufwachen habe ich meine Meinung geändert. Dank Edoardo. Ich habe heute Nacht von ihm geträumt. Er trug eine gelbe Fliege mit großen grünen Punkten. »Erwachsen werden bedeutet Fehler machen. Aber man darf sich nicht davor fürchten zu leben«, sagte er. Seine Worte hallen noch in meinem Kopf wider. Der Zeitpunkt ist gekommen, das Versprechen einzulösen, das ich mir selbst gegeben habe: Nie wieder werde ich aus Angst darauf verzichten, zu leben.
Black schläft im Schaukelstuhl. Er sieht aus wie eines meiner Stofftiere. Inzwischen hat er sich mit der einäugigen Giraffe angefreundet und trägt sie manchmal im Maul spazieren.
»Bist du fertig?« Mama taucht hinter mir auf.
»Noch nicht. Ich weiß einfach nicht, was ich anziehen soll.«
»Du bist auch in deinen üblichen Sachen sehr hübsch.«
»Danke«, sage ich nicht sehr überzeugt.
»Na ja, um ehrlich zu sein, deine Haare sehen aus wie nach einem Flugzeugabsturz, das Übrige ist okay. Aber zum Glück gibt es da Abhilfe: Deine Mutter war früher mal Friseurin, erinnerst du dich?«
Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Lächelnd setze ich mich an meinen Schreibtisch. Meine Mutter verlässt den Raum und kehrt gleich darauf mit einem Beautycase zurück, das alles Notwendige enthält. Beim Haarebürsten massiert sie sanft und zugleich energisch meine Kopfhaut. Es ist lange her, dass sie sich mit meiner Mähne befasst hat. Das war unser Ritual, als ich ein kleines Mädchen war. Erst jetzt merke ich, wie sehr es mir gefehlt hat.
»Hast du mal etwas von Matteo gehört?« Ihre Frage überrascht mich. Also hat sie doch mitbekommen, dass sich in Cremona etwas zwischen uns angebahnt hatte.
»Ehrlich gesagt nein. Also … Ich wünsche ihm nur das Beste … wie auch Manuela. Aber ich spüre, dass wir mittlerweile nichts mehr gemeinsam haben.«
Während Black auf meinen Knien schnurrt und der Föhn rauscht, unterhalten wir uns über dieses und jenes. Ich erzähle ihr von Genziana und von Caterina.
»Und was ist mit der Liebe?«, fragt sie dann.
Ich drehe mich um und erhasche ihr verschwörerisches Lächeln. Sie hat schon wieder eine andere Haarfarbe. Jetzt sind sie schwarz, mit einigen pinkfarbenen Strähnen.
»Die Liebe? Liebe bedeutet, nie mehr Angst zu haben …«
Ich werde zu dem Konzert gehen, und wenn Mikael nicht dort ist, werde ich alle Gefühle auch für ihn mitleben.
»Das wär’s.« Sie hält mir einen Spiegel hin. Meine zerzausten Haare haben sich in eine wundervoll glatt fallende Mähne verwandelt.
Ich springe auf. Miauu . Black schlüpft wie ein geölter Blitz durch die Tür. Wir lachen beide laut.
»Danke«, sage ich zu ihr. »Manchmal bist du als Mutter gar nicht so übel.«
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S taub auf deinen Worten. Staub auf meinen Lidern, die es müde
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