Scarlett – Die Liebe hat Augen wie Eis, der Tod hat Augen wie Feuer: Roman
Caterina klingt begeistert.
»Wo bist du denn gestern abgeblieben? In der Schule gehen merkwürdige Dinge vor«, mischt sich Laura ein.
»Ich erzähle es ihr.« Genzianas Ton duldet keinen Widerspruch. »Ein mysteriöser Kurzschluss hat alle Überwachungskameras in der Schule auf einmal durchschmoren lassen. Als wären sie geschmolzen! Dann hat man die neue Bibliothekarin ohnmächtig aufgefunden, sie erinnerte sich an nichts mehr …«
Sie hat dasselbe Schicksal erlitten wie Rotkäppchen. Livio muss ihre letzten Erinnerungen gelöscht haben, als er sie in tiefe Bewusstlosigkeit versetzte.
»Jetzt bin ich dran!« Caterina übernimmt das Wort. »Livio hat sich von der Schule abgemeldet.« Als ich seinen Namen höre, zucke ich zusammen. »Kannst du dir das vorstellen? So kurz vor Ende des Schuljahres! Also, ich meine, die paar Monate hätte er wohl noch durchhalten können. Die Schule hat einen Brief von seinen Eltern erhalten. Schade, dass du heute zu spät gekommen bist, zu Unterrichtsbeginn wurde über nichts anderes geredet. Aber du sagst ja gar nichts!«
»Das sind zu viele Neuigkeiten auf einmal, Mädels. Ich muss erst einmal zu Atem kommen.«
Ein Wächter muss sich darum gekümmert haben, Livios Abwesenheit zu erklären. Die Beschützer des Gleichgewichts, so wie Mikael, sorgen dafür, die Existenz der Parallelwelt, die unterhalb der Erdoberfläche liegt, vor den Menschen geheim zu halten.
»Guten Morgen, Herrschaften. Ich habe mir gedacht, wir sollten den Frühling, der dieses Jahr so lange hat auf sich warten lassen, mit einer schönen Stegreifaufgabe willkommen heißen. Erstes Thema: Der Klimawandel im neuen Jahrtausend . Darüber können Sie sich nach Lust und Laune auslassen.« Vanzi runzelt seine Menschenfresseraugenbrauen. Nach allem, was ich erlebt habe, jagt er mir nicht mehr so viel Angst ein. Er schreibt die anderen Themen an die Tafel und spricht sie währenddessen laut mit. Der übliche unangekündigte Montagmorgenaufsatz.
Die Schule geht ihren geregelten Gang, die Welt dreht sich weiter. Niemand ahnt, was wegen meiner Neugierde alles hätte passieren können.
Edoardo muss das Buch der Siegel gefunden haben. Möglicherweise an ebendem Tag, als er mir diesen Satz daraus vorgelesen hat. Vielleicht wurde er umgebracht, weil er sich weigerte, es aus seinem Trägerbuch zu nehmen und Darkroven zu übergeben. »Ich hasse jeden, die mir die Zusammenarbeit verweigert …«
Ich möchte Daniela, seine Frau, noch einmal besuchen. Dabei werde ich Edoardos Fliege umbinden und sie fragen, ob sie wieder angefangen hat zu fotografieren.
Nach Schulschluss laufe ich in den Abstellraum. Black ist allein und hungrig, das heißt, dass Mikael nicht vorbeigeschaut hat.
Da kommt mir eine Idee.
»Mach die Augen zu!«
»Hast du eine Überraschung für mich?«
Die Sonne umschmeichelt die frischen grünen Triebe. Zart duftende Blüten zaubern erste farbige Tupfer in den Garten hinter dem Haus.
Ich lege Marco das schwarze Fellknäuel in die Arme. Miau .
»Ein Kätzchen! Das habe ich mir schon so lange gewünscht!« Er läuft ins Haus. Black hüpft in seinen Armen auf und ab und sieht dabei zunehmend besorgt aus.
»Nicht so heftig! Das ist kein Spielzeug!«
Ich folge ihm in die Küche.
»Bitte, darf ich ihn behalten?«, fragt er Mama und macht wieder seine großen Hundeaugen.
»Aber …«
»Ich werde auch ganz brav sein und mich um ihn kümmern.«
»Na gut.« Simona wirft mir zwar einen grimmigen Blick zu, aber so richtig wütend scheint sie nicht zu sein. Gleich darauf streichelt sie auch schon Black, der laut nach Futter miaut.
Seit dem Unfall scheinen meine Eltern zu dem harmonischen Verhältnis von früher zurückgefunden zu haben. Papa geht zwar wieder arbeiten, aber er bemüht sich, abends früher nach Hause zu kommen.
Wenn man alles zu verlieren droht, begreift man, was wirklich wichtig ist.
Mikael … Für mich bist du so wichtig. Was ist mit dir?
In der Schule hat man weder Ofelia noch Vincent gesehen. Ich würde mich so gern bei ihnen bedanken.
Das Mädchen mit den violetten Augen kann sich also in einen majestätischen schwarzen Panther verwandeln. Ich habe gehört, wie Darkroven Vincent einen »Halbdämon der Rache« genannt hat. Ich begreife zwar nicht ganz, was das bedeuten soll, aber ich könnte schwören, dass die Aura um seinen Körper aussah wie ein gigantischer Rabe.
Ich schnappe mir mein Fahrrad und mache mich auf zur Villa Montebello. Dabei muss ich die Augen zusammenkneifen,
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