Scarpetta Factor - Thriller
D. C. Ein Konto bei Verizon, das ist ein Billiganbieter mit wenig Freiminuten. Wahrscheinlich war er nicht sehr gesprächig, wohl wegen seiner Hörbehinderung.«
»Ich bezweifle, dass das der Grund ist. Seine Hörgeräte sind hochmodern und haben sogar Bluetooth-Funktion«, antwortete Scarpetta.
Als sie sich in dem Hotelzimmer umsah, kam sie zu dem Schluss, dass Warner Agee die meiste Zeit in einer klaustrophobischen, meist stillen Welt verbracht hatte. Gewiss hatte er keine Freunde gehabt, und falls es Angehörige gab, stand er ihnen nicht sehr nah. Sie fragte sich, ob sein einziger zwischenmenschlicher Kontakt, die einzige Person, zu der er eine emotionale Bindung unterhalten hatte, die Frau gewesen war, dieihn aus Eigennutz unterstützte: Carley. Sie hatte ihm zu Arbeit und einem Dach über dem Kopf verholfen und war hin und wieder mit einer neuen Chipkarte erschienen. Scarpetta nahm an, dass Agee kein Geld besessen hatte. Was war wohl aus seiner Brieftasche geworden? Vielleicht hatte er sie nach dem Verlassen des Zimmers letzte Nacht weggeworfen, weil er nicht identifiziert werden wollte, hatte aber die Fernbedienung von Siemens vergessen. Bestimmt bewahrte er sie gewohnheitsmäßig in der Hosentasche auf und hatte nicht an die Nachricht gedacht, die jemanden wie Scarpetta direkt zu ihm führen würde.
»Was soll das heißen, dass du alles weißt ?«, wiederholte sie, an Lucy gewandt. »Was weißt du denn? Wusstest du auch, dass sich niemand an meinem BlackBerry zu schaffen gemacht hat?«
»Moment, ich probiere gerade etwas aus.« Lucy nahm ihr eigenes BlackBerry und rief eine Nummer an, die sie vom Bildschirm ihres MacBooks ablas. Nachdem sie eine Zeitlang gelauscht hatte, unterbrach sie die Verbindung. »Nur ein Freizeichen. Ich wette, es handelt sich um ein Einwegtelefon, was eine Erklärung dafür wäre, warum so viele verschiedene Leute dieselbe Nummer gehabt haben und keine Mailbox eingerichtet wurde.« Sie betrachtete noch einmal Agees Telefon. »Ich habe ein paar Nachforschungen angestellt«, sagte sie dann. »Als du mir die Mail geschickt hast und ich dein BlackBerry zerstören wollte, warst du dagegen. Also habe ich sofort nachgesehen und festgestellt, dass die neuen Nachrichten, E-Mails und Botschaften auf der Mailbox nicht geöffnet worden waren. Das ist der einzige Grund, warum ich den Datenspeicher deines Telefons nicht gegen deinen Willen gelöscht habe. Warum hast du dein Passwort deaktiviert?«
»Wann bist du dahintergekommen?«
»Erst als du dein Telefon verloren hast.«
»Ich habe es nicht verloren.«
Lucy konnte ihr nicht in die Augen schauen. Aber nicht, weil sie ein schlechtes Gewissen hatte. Jedenfalls hatte Scarpetta nicht diesen Eindruck. Ihre Nichte war emotional veranlagt. Sie hatte Angst, und ihre Augen waren so dunkelgrün wie das tiefe Wasser eines Baggersees. Ihr Gesichtsausdruck wirkte ungewöhnlich mutlos und erschöpft. Außerdem war sie mager geworden, als triebe sie weniger Sport als gewöhnlich, und das, obwohl Kraft und Fitness bei ihr an erster Stelle kamen. In den wenigen Wochen, in denen Scarpetta sie nicht gesehen hatte, war Lucy merklich gealtert.
Lucy bearbeitete die Tastatur. »Jetzt schaue ich mir die zweite Nummer an, von der aus dieses Telefon gestern Nacht angerufen wurde.«
»Du meinst den Anruf um zwanzig vor elf?«
»Genau. Es ist zwar eine Geheimnummer, doch der Anrufer hat sich die Mühe gespart, sie zu unterdrücken, weshalb sie in Agees Telefon gespeichert ist. Wer immer es auch sein mag: Es handelt sich um die letzte Person, mit der er gesprochen hat. Zumindest, soweit wir wissen. Also war er um zwanzig vor elf noch lebendig und bei bester Gesundheit.«
»Lebendig, ja. Aber er hat sich sicher nicht wohlgefühlt.«
Lucy tippte weiter auf ihrem MacBook herum und ging dabei auch die in dem Dell-Laptop gespeicherten Dateien durch. Sie war in der Lage, zehn Dinge gleichzeitig zu tun, und konnte eigentlich fast alles – nur kein ehrliches Gespräch über die Dinge führen, die in ihrem Leben wirklich wichtig waren.
»Er war so intelligent, den Verlauf zu löschen und den Papierkorb zu leeren«, verkündete sie. »Nur falls es dich interessiert. Allerdings wird mich das nicht daran hindern, die Daten zu finden, die er beseitigen wollte. Carley Crispin«, fügte sie hinzu. »Ihr gehört die Geheimnummer, von der aus er um zwanzig vor elf angerufen wurde. Der Vertrag von Carleys Mobiltelefonläuft bei AT&T. Sie hat etwa vier Minuten lang mit Agee
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