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Scarpetta Factor

Scarpetta Factor

Titel: Scarpetta Factor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Daniels Cornwell
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er noch nie begegnet war, hastete auf ihn zu. Sie war brünett, hübsch und anziehend, hatte eine gute Figur und war schätzungsweise Mitte dreißig. Bekleidet war sie mit einer weichen hellbraunen Lederjacke, einer dunklen Hose und Stiefeln. Das FBI hatte die Angewohnheit, überdurchschnittlich viele gutaussehende und gebildete Menschen zu beschäftigen. Das war kein Vorurteil, sondern eine Tatsache. Ein Wunder, dass sich nicht mehr Pärchen bildeten, obwohl Männer und Frauen jeden Tag eng zusammenarbeiteten, an schwierigen Fällen, ein wenig berauscht von der Macht – und das Ganze gemischt mit einer ordentlichen Portion Eitelkeit. Doch die meisten hielten Abstand. In Bentons Zeit beim FBI kamen Büroaffären selten vor – oder wurden derart streng geheim gehalten, dass kaum jemand davon erfuhr.
    »Benton?« Sie schüttelte ihm kräftig die Hand. »Marty Lanier. Der Sicherheitsdienst hat mir mitgeteilt, Sie seien schon unterwegs nach oben. Ich wollte Sie nicht warten lassen. Sie waren schon einmal hier?«
    Das war keine Frage. Sie würde überhaupt keine Fragen stellen, wenn sie die Antwort nicht bereits kannte, und sie hatte sich sicher eingehend über ihn erkundigt. Benton hatte sie sofort eingeordnet. Hochintelligent, strotzend vor Tatendrang und Scheitern nicht gewohnt. Ein Mensch, der ständig in Bewegung war. Er hielt sein BlackBerry in der Hand. Es war ihm gleichgültig, ob sie es bemerkte. Stattdessen rief er seine Nachrichten auf, ohne einen Hehl daraus zu machen. Ihn kommandierte niemand herum. Er war kein gottverdammter Besucher.
    »Wir nehmen den SAC-Konferenzraum«, verkündete sie. »Aber zuerst holen wir uns einen Kaffee.«
    Wenn sie den Konferenzraum des Dienststellenleiters benutzen wollte, hieß das, dass sie nicht nur zu zweit sein würden. Ihr Akzent klang leicht nach Brooklyn oder New Orleans, weiße Oberschicht, was schwer zu unterscheiden war. Offenbar hatte sie sich bemüht, den Dialekt abzulegen.
    »Detective Marino ist nicht hier«, stellte Benton fest und steckte das BlackBerry ein.
    »Wir brauchen ihn nicht«, entgegnete sie im Gehen. Benton ärgerte sich über die Bemerkung.
    »Wie Sie wissen, habe ich vorhin mit ihm gesprochen. Im Licht der jüngsten Ereignisse nützt er uns dort, wo er derzeit ist, mehr.« Sie sah auf die Uhr, eine schwarze Luminox aus Gummi, sehr beliebt bei den Tauchern der Navy. Also war sie vermutlich Mitglied der Taucherabteilung, wieder eine dieser FBI-Superfrauen. »Er sollte jeden Moment dort sein.« Sie meinte Rodman’s Neck. »Die Sonne geht etwa gegen null-siebenhundertundfünfzehn auf. Also kann das besagte Paket bald entschärft werden. Dann haben wir Klarheit, worum es sich handelt und wie wir weiter verfahren müssen.«
    Benton erwiderte nichts. Er war gereizt. Die Frau fiel ihm auf die Nerven.
    »Ich hätte mich anders ausdrücken sollen. Vielleicht besteht ja gar kein Grund zu handeln. Keine Ahnung, ob es im Zusammenhang mit anderen Dingen von Belang ist.« Sie beantwortete weiter Fragen, die niemand gestellt hatte.
    Typisch FBI. Es war, als müssten neue Mitarbeiter erst einmal einen Berlitz-Kurs in Bürokratensprache besuchen, um das richtige Um-den-heißen-Brei-Herumreden zu lernen. Man verriet seinen Mitmenschen nur das, was sie hören sollten. Ganz gleich, welche Informationen sie auch brauchten. Irreführen, ausweichen oder – die beliebteste Methode – verschweigen.
    »Momentan schwer festzustellen, was von Bedeutung ist und was nicht«, fügte sie hinzu.
    Benton fühlte sich, als hätte man ihm eine Glaskuppel übergestülpt. Es war zwecklos, dass er etwas antwortete. Sie würde ihn sowieso nicht hören. Seine Stimme war zu leise. Er zählte nicht.
    »Eigentlich habe ich ihn angerufen, weil er als Kontaktperson bei einer Suchanfrage aufgeführt war, die uns elektronisch vom RTCC geschickt wurde«, fuhr sie fort. »Die Tätowierung der Person, die das Paket bei Ihnen abgegeben hat. So viel habe ich Ihnen in unserem kurzen Telefonat bereits erklärt, Benton, und mir ist klar, dass Sie die weiteren Hintergründe nicht kennen. Dafür muss ich mich entschuldigen, aber ich kann Ihnen versichern, dass wir Sie nicht um diese frühe Stunde hergebeten hätten, wenn die Angelegenheit nicht äußerst dringend wäre.«
    Sie gingen einen langen Flur entlang, vorbei an kahlen, mit einem Tisch, zwei Stühlen und einem Stahlgeländer zum Befestigen von Handschellen ausgestatteten Vernehmungszimmern. Alles war in Beige und Blau gehalten, ein Farbton, den

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