Schach Mit Einem Vampir
Löschwasser in den angrenzenden Raum hinein. Es war mit schwarzer Asche und Ruß durchsetzt. In dem Schlafzimmer stank es bestialisch nach verbranntem Fleisch, verschmorten Kunststoffen und anderen verkohlten Gegenständen. Auf dem Teppich stand zentimeterhoch das Löschwasser. Die beiden Fenster, beide lagen an einer Wand, waren weit geöffnet, um Frischluft hereinzulassen. Sofort fiel Harris Blick auf den stark entstellten Körper des Opfers. Dieser lag vor den Überresten eines großzügigen Doppelbettes. Nur an einigen Stellen des Raumes hatte die dunkelblaue Tapete noch ihre ursprüngliche Färbung behalten. Der Rest war entweder verbrannt oder mit einer schwarzen Rußschicht überzogen. Ebenso stand es um die Zimmerdecke. Eine Lampe aus Edelstahl darunter war durch die Hitzeeinwirkung bizarr verformt worden, das Glas der Fassung zersplittert. Den Raum erhellten notdürftig aufgestellte Halogenstrahler. Deren Stromversorgung sicherten die Steckdosen des angrenzenden Badezimmers. Neben der Leiche sowie an weiteren verschiedenen Stellen im Raum hatten die Leute der Spurensicherung kleine Täfelchen mit Nummern platziert. Jede von ihnen markierte ein Fundstück. Zusammen mit den Täfelchen hatte man die Beweismittel fotografiert und diese anschließend in Plastik verpackt und sichergestellt. Doch diese Beweismittel mussten nicht unbedingt mit der Tat in einem Zusammenhang stehen, wie Harris aus Erfahrung wusste. Um den Leichnam von Mr. Meyers hatte man seine Konturen mit einem Spezialklebeband nachgeahmt. In anderen Fällen verwendete man dafür Kreide, doch hier sorgte das Wasser dafür, dass man auf das andere Verfahren zurückgreifen musste. Harris überkam bei dem Anblick des Tatorts ein eisiges Frösteln. Doch vermochte er nicht zu sagen, was dieses auslöste. War es die Anwesenheit der verkohlten Leiche oder aber die Vermutung, dass auch dieser erneute Fall keine neuen Erkenntnisse zur Ergreifung des Schachspielers bringen würde? Bevor sich der FBI-Agent dem Opfer zuwandte, trat er zuerst zu einem der Fenster. Dr. Lewis Goldstein störte Harris nicht und wartete ab, bis sich dieser auf den Tatort eingestellt hatte. Der Doktor hatte schon erlebt, wie die härtesten Cops beim Anblick einer entstellten Leiche die Fassung verloren hatten. Sie waren alle auch nur fühlende Menschen. Harris schaute aus dem Fenster. Es ging von hier aus steil hinab. Sein Blick fiel auf eine kleine Seitenstraße, die das Haus vom Nachbargebäude trennte. Auch von dort aus konnte man nicht in Meyers Wohnung gelangen. Und es gab an dieser Seite des Hauses keine Feuertreppe, über die der Täter hätte in die Wohnung eindringen können. Nur einen schmalen Sims unterhalb des Fensters, der sich scheinbar rings um das Gebäude zog, bot einem Einbrecher die Möglichkeit, sich darauf fortzubewegen. Doch dieser war so schmal, dass es einem Selbstmordversuch gleichkam, darauf zu balancieren. Der Agent entdeckte ein weiteres Nummerntäfelchen. Es befand sich direkt unterhalb des Fensters auf dem Sims. Was musste der Täter doch für ein waghalsiger Mensch sein, sich auf diesem Wege Zutritt zu der Wohnung zu verschaffen. Harris schien es unmöglich, sich auf dem schmalen Grad fortzubewegen, aber scheinbar gab es keine andere Möglichkeit, auf dem der Mörder ansonsten in Meyers Behausung hätte gelangen können. Und der gefundene Fußabdruck untermauerte diese Theorie offenbar. Der Schachspieler musste von der Feuertreppe aus, die sich auf der gegenüberliegenden Seite des Hauses befand, auf den steinernen Grad gelangt sein. Dann hatte er sich in einer akrobatischen, selbstmörderischen Aktion um das Gebäude bewegt. Doch warum ist er dann wieder, nach seiner grausamen Tat, auf dem gleichen Wege verschwunden? Warum noch einmal dieses Wagnis eingehen? Der Täter hätte es sich doch einfach machen können und zum Verlassen der Wohnung die Haustür benutzen können. Oder er hätte einfach nur ein Fenster auf der Südseite öffnen müssen, um über die Feuertreppe auf die Straße zu gelangen. Das ganze Verhalten des Mörders war widersprüchlich und unlogisch. Er komplizierte seine Taten durch unnötige Kletteraktionen. Doch so verhielt sich der Schachspieler auch schon in manchen zurückliegenden Fällen. Der Sims war also der Weg, wie der Mörder herein- und wieder herauskam. Denn der von innen steckende Schlüssel sowie die Tatsache, dass die Appartementtür doppelt verriegelt war und alle anderen Fenster der Wohnung geschlossen und gesichert
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