Schach von Wuthenow
genommen. Ich begreife das, weiß ich doch aus allereigenster Erfahrung, wie weh dergleichen tut und wie der giftige Pfeil uns nicht bloß in unserem Gemüte verwundet, sondern auch verwandelt und
nicht
verwandelt zum Besseren. Aber wie dem auch sei, Sie mußten sich auf sich selbst besinnen und damit zugleich auch auf
das
, was Pflicht und Ehre von Ihnen fordern.«
Schach schwieg.
»Und Sie
werden
es«, fuhr die Königin immer lebhafter werdend fort, »und werden sich als einen Reuigen und Bußfertigen zeigen. Es kann Ihnen nicht schwer werden, denn selbst aus der Anklage gegen Sie, so versicherte mir der König, habe noch immer ein Ton der Zuneigung gesprochen. Seien Sie dessen gedenk, wenn Ihr Entschluß je wieder ins Schwanken kommen sollte, was ich nicht fürchte. Wüßt ich doch kaum etwas, was mir in diesem Augenblicke so lieb wäre wie die Schlichtung dieses Streits und der Bund zweier Herzen, die mir füreinander bestimmt erscheinen. Auch durch eine recht eigentliche Liebe. Denn Sie werden doch, hoff ich, nicht in Abrede stellen wollen, daß es ein geheimnisvoller Zug war, was Sie zu diesem lieben und einst so schönen Kinde hinführte. Das Gegenteil anzunehmen widerstreitet mir. Und nun eilen Sie heim, und machen Sie glücklich und werden Sie glücklich. Meine Wünsche begleiten Sie, Sie
beide
. Sie werden sich zurückziehen, solang es die Verhältnisse gebieten; unter allen Umständen aber erwart ich, daß Sie mir Ihre Familienereignisse melden und den Namen Ihrer Königin als erste Taufpatin in Ihr Wuthenower Kirchenbuch eintragen lassen. Und nun Gott befohlen.«
Ein Gruß und eine freundliche Handbewegung begleiteten diese Worte: Schach aber, als er sich kurz vor der Gartenfront noch einmal umsah, sah, wie beide Damen in einen Seitenweg einbogen und auf eine schattigere, mehr der Spree zu gelegene Partie des Parkes zuschritten.
Er selbst saß eine Viertelstunde später wieder im Sattel; Ordonnanz Baarsch folgte.
Die gnädigen Worte beider Majestäten hatten eines Eindrucks auf ihn nicht verfehlt; trotzdem war er nur getroffen, in nichts aber umgestimmt worden. Er wußte, was er dem König schuldig sei:
Gehorsam
! Aber sein Herz widerstritt, und so galt es denn für ihn, etwas ausfindig zu machen, was Gehorsam und Ungehorsam in sich vereinigte, was dem Befehle seines Königs und dem Befehle seiner eigenen Natur gleichmäßig entsprach. Und dafür gab es nur
einen
Weg. Ein Gedanke, den er schon in Wuthenow gefaßt hatte, kam ihm jetzt wieder und reifte rasch zum Entschluß, und je fester er ihn werden fühlte, desto mehr fand er sich in seine frühere gute Haltung und Ruhe zurück. »Leben«, sprach er vor sich hin. »Was ist leben? Eine Frage von Minuten, eine Differenz von heut auf morgen.« Und er fühlte sich, nach Tagen schweren Druckes, zum ersten Male wieder leicht und frei.
Als er, heimreitend, bis an die Wegstelle gekommen war, wo eine alte Kastanienallee nach dem Kurfürstendamm hin abzweigte, bog er in diese Allee ein, winkte Baarsch an sich heran und sagte, während er den Zügel fallen ließ und die linke Hand auf die Kruppe seines Pferdes stemmte: »Sage, Baarsch, was hältst du eigentlich von Heiraten?«
»Jott, Herr Rittmeister, wat soll ich davon halten? Mein Vater selig sagte man ümmer: Heiraten is gut, aber nich heiraten is noch besser.«
»Ja, das mag er wohl gesagt haben. Aber wenn
ich
nun heirate, Baarsch?«:
»Ach, Herr Rittmeister werden doch nich!«
»Ja, wer weiß... Ist es denn ein solches Malheur?«
»Jott, Herr Rittmeister, for
Ihnen
grade nich, aber for mir...«
»Wie das?«
»Weil ich mit Untroffzier Czepanski gewett' hab, es würd
doch
nichts. Un wer verliert, muß die ganze Korporalschaft freihalten.«
»Aber woher wußtet ihr denn davon?«
»I Jott, des munkelt ja nu all lang. Un wie nu vorige Woch ooch noch die Bilders kamen...«
»Ah, so... Nu sage, Baarsch, wie steht es denn eigentlich mit der Wette? Hoch?«
»I nu, 's jeht, Herr Rittmeister. 'ne Cottbusser un 'n Kümmel. Aber for jed' een.«
»Nu, Baarsch, du sollst dabei nicht zu Schaden kommen. Ich werde die Wette bezahlen.«
Und danach schwieg er und murmelte nur noch vor sich hin: »Et payer les pots cassés.«
Achtzehntes Kapitel
Fata Morgana
Schach war zu guter Stunde wieder heim, und noch denselben Abend schrieb er ein Billet an Frau von Carayon, in dem er in anscheinend aufrichtigen Worten um seines Benehmens willen um Entschuldigung bat. Ein Cabinetsschreiben, das er vorgestern in
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