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Schachfigur im Zeitspiel

Schachfigur im Zeitspiel

Titel: Schachfigur im Zeitspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Stimme von einer anderen Stelle des Raumes her. »Cook County.«
    Der Angestellte hakte sofort nach: »Welcher Monat, welches Datum?«
    »16. Oktober«, antwortete die Stimme. »1980«.
    Der Ausdruck auf dem Gesicht des Angestellten blieb derselbe. »Brüder oder Schwestern?«
    »Nein«, sagte seine Stimme.
    Ununterbrochen floß der Strom der Fragen weiter. Und er beantwortete jede einzelne davon.
    »In Ordnung, Mr. Parsons«, sagte der Angestellte schließlich.
    »Dr. Parsons«, korrigierte die Stimme – seine Stimme – aus einem erlernten Reflex heraus.
    Der Angestellte achtete nicht darauf. »Sie sind fertig«, sagte er und nahm dabei eine Spule aus dem Aufzeichnungsgerät. »Würden Sie nun bitte über den Flur zu Zimmer 34 hinübergehen?« Mit einem Nicken des Kinns wies er ihm die Richtung. »Dort wird man sich um Sie kümmern.«
    Steif erhob sich Parsons. Ein Tisch, stellte er fest. Er hatte auf einem Tisch gesessen, und er hatte nur seine Unterhose an. Es war wie in einem Krankenhaus – aseptisch, weiß, professionell, alles stimmte. Er setzte sich in Bewegung. Als er dies tat, sah er seine weißen Beine, unbesprüht; das war ein seltsamer Kontrast zur Färbung seiner Arme, seiner Brust, seines Rückens und seines Halses. Also wissen sie jetzt Bescheid, dachte er. Aber er ging weiter. In ihm gab es weder ein bewußtes Verlangen nach Widerstand noch nach Gehorsam. Er ging einfach aus dem Verhörzimmer hinaus, einen gut beleuchteten Flur entlang, und betrat dann den Raum 34.
    Die Tür öffnete sich, als er sich ihr näherte. Gleich darauf fand er sich in einem Zimmer wieder, das eher einem Privatappartement glich. Voller Erstaunen entdeckte er ein Cembalo. Ebenso Kissen auf einem Fenstersitz und ein Fenster, das einen weiten Ausblick auf die Stadt ermöglichte. Dem Stand der Sonne nach mußte es Mittag sein. Hier und dort sah er Bücher. An der Wand hing die Reproduktion eines Picasso.
    Er blieb stehen, und irgendwann erschien Stenog, der auf einer Klemmtafel befestigte Papiere durchblätterte. Er blickte Parsons an und sagte: »Selbst die Entstellten? Die von Geburt an Entstellten? Sie haben auch die geheilt?«
    »Sicher«, sagte Parsons. Nur langsam gewann er seine Selbstbeherrschung zurück. »Ich …«, setzte er stockend an, aber Stenog unterbrach ihn.
    »Ich habe mich mit Hilfe der Geschichtsbänder über Ihre Epoche informiert«, sagte er. »Sie sind ein Arzt . Nun, dieser Begriff ist eindeutig. Ich verstehe die Funktion, die Sie erfüllt haben. Aber die Ideologie dahinter kann ich nicht begreifen. Warum ?« Sein Gesicht zuckte vor Erregung. »Dieses Mädchen, Icara. Sie lag im Sterben, und doch haben Sie zu dem Zweck, sie am Leben zu erhalten, kunstvolle Veränderungen an ihrem Körper vorgenommen.«
    Parsons antwortete mit Mühe: »Das stimmt.«
    Jetzt sah er, daß mehrere andere Personen Stenog in den Raum hineinbegleitet hatten. Sie hielten sich im Hintergrund und ließen Stenog das Reden besorgen.
    »In Ihrer Kultur hatte dies einen positiven Wert?« fragte Stenog. »Solches Handeln war offiziell sanktioniert?«
    Eine Person im Hintergrund sagte: »Ihr Beruf war angesehen? Ein geachteter sozialer Status mit ungeteilter Zustimmung?«
    Stenog sagte: »Ich halte es für unmöglich zu glauben, daß eine ganze Gesellschaft um ein solches Verhalten herum orientiert gewesen sein könnte. Bestimmt war es nur eine Splittergruppe, die Sie sanktioniert hat.«
    Parsons hörte die Worte, doch sie ergaben keinen Sinn. Alles war verschoben. Verzerrt. Wie durch einen verzogenen Spiegel wiedergegeben. »Heilen wurde respektiert«, brachte er schließlich heraus. »Aber ihr hier scheint zu denken, es sei etwas Falsches.«
    Ein wütendes Murmeln durchlief den Kreis der Zuhörer. »Falsch!« fauchte Stenog. »Es ist Wahnsinn! Begreifen Sie denn nicht, was passiert, wenn jeder geheilt wird? All die Kranken und Verletzten? Die Alten?«
    »Kein Wunder, daß seine Gesellschaft zusammengebrochen ist«, sagte ein Mädchen mit strengen Augen. »Es ist erstaunlich, daß sie überhaupt so lange bestanden hat. Wo sie doch auf einem dermaßen pervertierten Wertsystem beruhte.«
    »Es demonstriert«, sagte Stenog nachdenklich, »die fast unendliche Vielzahl kultureller Formen. Daß eine ganze Gesellschaft um solche Triebkräfte herum orientiert existieren konnte, scheint uns unglaublich. Aber aus unserer historischen Rekonstruktion wissen wir, daß es so etwas tatsächlich gegeben hat. Dieser Mann hier ist kein entflohener

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