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Schachfigur im Zeitspiel

Schachfigur im Zeitspiel

Titel: Schachfigur im Zeitspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Lebensspanne wird gewaltig verkürzt werden. Es hängt viel von Ihrem Durchhalte vermögen ab.«
    »Und ich habe nicht die Möglichkeit, gegen Ihre Entscheidung Berufung einzulegen?« fragte Parsons. »Keine Verfahrensordnung? Die Regierung bringt die Anklage vor und fungiert dann als Richter? Lediglich durch das Aufsetzen einer mittelalterlichen Perücke …«
    »Wir haben die unterschriebene Klage des Mädchens«, sagte Stenog.
    Daraufhin starrte ihn Parsons an. Er konnte es nicht glauben.
    »Oh ja«, sagte Stenog. »Kommen Sie mit.« Er stand auf, öffnete eine Seitentür und winkte Parsons, ihm zu folgen. Mit der Perücke finster und feierlich zugleich wirkend, sagte er: »Möglicherweise wird Ihnen dies mehr über uns sagen als alles, was Sie bisher gesehen haben.«
    Sie kamen an einer Tür nach der anderen vorbei. Benommen folgte Parsons dem perückengeschmückten jüngeren Mann, kaum in der Lage, mit dessen federnden Schritten mitzuhalten. Schließlich hielt Stenog an einer Tür, schloß sie auf und trat beiseite, damit Parsons in den Raum gehen konnte.
    Auf dem ersten von mehreren kleinen Gestellen lag ein Körper, teilweise von einem weißen Laken bedeckt. Icara. Parsons ging zu ihr. Ihre Augen waren geschlossen, und sie bewegte sich nicht. Ihre Haut war von einer verblaßten, ausgewaschenen Beschaffenheit.
    »Sie hat die Klage eingereicht«, sagte Stenog. »Unmittelbar bevor sie gestorben ist.« Er schaltete ein Licht an, und als Parsons hinunterblickte, sah er, daß das Mädchen ohne jeden Zweifel tot war, möglicherweise schon seit mehreren Stunden.
    »Aber sie hätte sich erholt«, sagte er. »Sie war auf dem Weg der Besserung.«
    Stenog griff nach unten und hob das Laken zurück. An der Halsseite des Mädchens sah Parsons einen sorgfältigen, präzisen Schnitt. Die großen Halsschlagadern waren zerschnitten worden, und zwar fachmännisch.
    »In Ihrer Klage hat sie Sie beschuldigt, absichtlich den natürlichen Seelmotus-Vorgang behindert zu haben«, erklärte Stenog. »Sobald Sie dieses Formular ausgefüllt hatte, schickte sie nach dem Euthanisten ihres Wohnviertels und unterzog sich dem Letzten Ritual.«
    »Dann hat sie es selbst getan«, sagte Parsons.
    »Es war ihr eine Freude. Durch ihren eigenen Willen hat sie den Schaden wiedergutgemacht, den Sie verursacht haben.« Stenog knipste das Licht wieder aus.

 
5
     
    Stenog nahm ihn in seinem Privatwagen zum Abendessen mit zu sich nach Hause.
    Während sie durch den Nachmittagsverkehr fuhren, versuchte Parsons, soviel wie möglich von der Stadt zu sehen. Einmal, als der Wagen hinter einem ausscherenden dreistöckigen Bus anhielt, drehte er das Fenster herunter und lehnte sich hinaus. Stenog machte keine Anstalten, sein Handeln zu behindern.
    »Dort drüben arbeite ich«, sagte Stenog unvermittelt. Er verlangsamte den Wagen und zeigte hin. Ein flaches Gebäude, größer als alle anderen, die Parsons bisher gesehen hatte, lag rechts von ihnen. »Dort waren wir – in meinem Büro am Quell. Für Sie hat das keine Bedeutung, aber Sie waren in dem am stärksten bewachten Gebäude, das wir besitzen. Bisher haben wir die ganze Zeit die einzelnen Kontrollpunkte passiert.« Sie saßen jetzt schon fast eine halbe Stunde im Wagen. »Jeden Tag muß ich das über mich ergehen lassen«, sagte Stenog. »Und ich bin der Direktor des Quells. Aber sie überprüfen auch mich.«
    Ein letzter uniformierter Wachtposten hielt den Wagen an, und nahm die flache, schwarze Karte, die ihm Stenog zeigte. Dann zog der Wagen eine weit geschwungene Steigung hinauf. Die Stadt fiel unter ihnen zurück.
    »Der Seelenquader ist am Quell«, sagte Stenog, als wäre dies eine Erklärung. »Aber auch das ergibt für Sie keinen Sinn, oder?«
    »Nein«, sagte Parsons. Seine Gedanken waren noch bei dem Mädchen und bei ihrem Tod.
    »Konzentrische Ringe«, fuhr Stenog fort. » Zonen der Wichtigkeit. Jetzt sind wir natürlich wieder draußen in den Stammesgebieten.« Die hell gefärbten Tupfer, die Parsons schon beim ersten Mal aufgefallen waren, huschten jetzt mit hoher Geschwindigkeit an ihnen vorbei. Stenog war offensichtlich kein schneller Fahrer. Im Tageslicht bemerkte Parsons, daß die Tür eines jeden vorbeifahrenden Autos mit einem Stammes-Totem verziert war, und auf den Kühlerhauben saßen Metall- und Plastikornamente, die Totems darstellen mochten – die Autos bewegten sich zu schnell, als daß er hätte sicher sein können.
    »Sie werden bei mir bleiben«, sagte Stenog, »bis es Zeit

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