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Schachfigur im Zeitspiel

Schachfigur im Zeitspiel

Titel: Schachfigur im Zeitspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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so deutlich vor Augen: Die Zeitreise sollte eine große, historische Wende einleiten, man wollte sich in den Zusammenbruch der griechischen Stadtstaatengemeinschaft einmischen, Napoleons Europaplan zum Erfolg verhelfen und dadurch die folgenden Kriege verhindern. Aber im vorliegenden Fall geht es um geheime beschränkte Zeitreise. Aus persönlichen Gründen. Nicht für soziale Ziele.« Sein jungenhaftes Gesicht verzog sich unter einem besorgten, finsteren Blick.
    »Wenn Sie anerkennen, daß ich aus einer anderen Zeit stamme«, sagte Parsons, »aus einer anderen Kultur – wie können Sie mich dann für das, was ich getan habe, verurteilen?«
    Daraufhin nickte Stenog. »Natürlich haben Sie aus Unwissenheit so gehandelt. Aber unser Gesetz beinhaltet keine Vorschriften für ›Personen aus einer anderen Kultur‹. Es gibt keine andere Kultur, keine einzige Abweichung. Ob Unkenntnis oder nicht, Sie werden den Spruch des Gerichts zu akzeptieren haben. Es gibt sogar einen historischen Grundsatz: Das Gesetz nicht zu kennen ist keine Entschuldigung. Und ist es nicht das, was Sie für sich in Anspruch nehmen?«
    Die offenkundige Ungerechtigkeit, mit der er behandelt wurde, erschütterte Parsons. Doch konnte er aus Stenogs Tonfall nicht entnehmen, wie ernst es dem Mann war. Die leicht distanzierte, ironische Art konnte nur schwer interpretiert werden. Machte sich Stenog über sich selbst lustig?
    Parsons sagte steif: »Wie wär’s, wenn Sie Ihren Verstand gebrauchen?«
    Stenog kaute auf seiner Lippe herum und sagte: »Sie müssen sich mit den Gesetzen der Gemeinschaft, in der Sie leben, abfinden. Ob Sie nun freiwillig gekommen sind oder nicht. Aber …« – er schien jetzt wirklich besorgt zu sein, denn die Ironie war verschwunden – »… möglicherweise kann das Verfahren aufgeschoben werden. Ein entsprechender Antrag könnte durchgegangen sein.«
    Er verließ das Zimmer, und Parsons war für eine Weile allein. Als er wenig später wieder zurückkam, trug er einen polierten Eichenholzkasten, der mit einem Schloß gesichert war. Er setzte sich, holte einen Schlüssel aus einer Tasche seines Gewandes und schloß den Kasten auf. Daraus hervor hob er eine wuchtige weiße Perücke. Mit bedächtiger Feierlichkeit setzte er sich die Perücke auf den Kopf. Sofort verlor er das Aussehen der Jugend, da sein dunkles Haar verborgen war und die schweren Locken des Kunsthaares sein Gesicht umrahmten. Ernst und Wichtigkeit bestimmten seine Erscheinung.
    Stenog sagte: »Als Direktor des Quells habe ich die Autorität inne, Ihnen ein Urteil aufzuerlegen.« Unter seiner Perücke hervor sah er Parsons prüfend an. »Was wir in der Hauptsache zu bedenken haben, ist die formelle Prozedur des Exils.«
    »Exil!« echote Parsons.
    »Wir unterhalten unsere Strafkolonien nicht hier. Ich habe vergessen, welches System Ihre Kultur angewandt hat. Arbeitslager? Zivilschutztruppe in Sowjet-Asien?«
    Nach einer Pause schaffte es Parsons zu sagen: »In meiner Zeit waren die Zivilschutzlager verschwunden. Ebenso die Sklavenarbeitslager in Rußland.«
    »Wir unternehmen nicht den Versuch, den Kriminellen zu resozialisieren«, sagte Stenog. »Das wäre ein Einschnitt in seine Rechte. Und von einem praktischen Standpunkt aus betrachtet funktioniert es auch nicht. Wir wollen keine Sub-Standard-Personen in unserer Gesellschaft.«
    »Die Shupos «, sagte Parsons voller Schrecken. »Sie haben mit diesen Kolonien zu tun?«
    Stenog sagte: »Die Shupos sind zu wertvoll, um von der Erde weggeschickt zu werden. Viele unserer Jugendlichen gehören dazu, müssen Sie wissen. Besonders das aktive Element reizt. Die Shupo -Organisation unterhält Jugendherbergen und von der Gesellschaft abgesonderte Schulen, die auf spartanische Art und Weise betrieben werden. Die Kinder werden sowohl körperlich als auch geistig trainiert. Sie sind abgehärtet. Dieses Unternehmen, der Überfall auf die illegale politische Gruppe, ist rein zufälliger Natur, eine Art Feldexpedition. Sie sind ganz wild darauf, die Jungs aus den Herbergen. Auf den Straßen haben Sie als Individuen das Recht, jede Person anzuhalten, von der sie glauben, daß sie sich nicht richtig verhält.«
    »Erzählen Sie mir von den Strafkolonien.«
    »Sie sind groß wie Städte. Es wird Ihnen freigestellt zu arbeiten, und Sie werden eine gesonderte Unterkunft, eine Art Apartment haben, damit Sie Ihren verschiedenen Hobbys oder kreativen Fertigkeiten nachgehen können. Das Klima ist natürlich ungesund. Ihre

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