Schachfigur im Zeitspiel
das Badezimmer.
Loris saß zusammengerollt in einem Sessel in einer Ecke des Schlafzimmers, die Füße nackt. Sie trug eine chinesische Kuli-Hose und ein weißes Baumwollhemd. An den Handgelenken baumelten schwere Silberarmbänder. Und sie hatte ihre Haare zu einem Ponyschwanz zurückgebunden. Sie wirkte nachdenklich und schweigsam.
»Was ist los?« fragte er.
Sie blickte auf. »Ich lasse dich nicht gerne gehen. Ich möchte …« Urplötzlich glitt sie aus dem Sessel und schritt im Zimmer umher, die Finger in die Seitentaschen ihrer hellblauen Hose gehakt. »Ich möchte dir etwas sagen, Doktor, obwohl es besser wäre, ich würde meinen Mund halten. Eines Tages vielleicht …« Sie drehte sich rasch um und sagte: »Ich halte eine ganze Menge von dir. Du bist ein feiner Kerl.«
Er dachte: Sie macht es mir schwer. Unerträglich schwer. Ich wüßte gern, ob ich es tun kann. Aber mir fällt keine Alternative dazu ein.
Seine Kleider lagen sorgfältig auf einem Schrankregal aufgestapelt. Jetzt holte er sie herunter.
»Was hast du vor?« fragte Loris, die ihm zusah. »Willst du dich nicht schlafen legen?« Sie zeigte ihm den Pyjama, den sie für ihn besorgt hatte.
»Nein«, sagte er. »Ich möchte noch eine Weile aufbleiben.«
Nachdem er sich angezogen hatte, blieb er unentschlossen vor der Tür des Apartments stehen.
»Du bist so nervös«, sagte Loris. »Hast du Angst, weil du hier im Landhaus bist? Oder glaubst du, daß Helmar hier hereinplatzen könnte?« Sie ging an ihm vorbei und verriegelte die Tür zum Korridor, und er roch den warmen Duft ihrer Haare. »Niemand darf hier hereinkommen. Das Schlafzimmer der Königin ist heilig.« Sie lächelte und zeigte ihre ebenmäßigen, weißen Zähne. »Amüsiere dich«, flüsterte sie sanft und legte ihm die Hand auf den Arm. »Das ist unsere letzte gemeinsame Nacht, mein Liebling.« Sie beugte sich vor und küßte ihn mit großer Zärtlichkeit auf den Mund.
»Es tut mir leid«, sagte er und entriegelte die Tür.
»Wohin gehst du?« Jetzt tauchte Wachsamkeit auf ihrem Gesicht auf. »Du hast irgend etwas vor. Was?« Katzengeschmeidig schob sie sich an ihm vorbei und versperrte ihm den Weg. Ihre Augen funkelten. »Ich lasse dich nicht gehen«, sagte sie. »Du willst dich an Helmar rächen, nicht wahr? Ist es das?« Sie musterte ihn eingehend. »Nein, das ist es nicht. Aber was ist es dann?«
Er legte ihr die Hände auf die Schultern und schob sie beiseite. Ihr durchtrainierter Körper versteifte sich. Einen Moment lang zerrte sie an seinen Händen, aber dann erhellte plötzlich Verstehen ihr Gesicht.
»O Gott«, flüsterte sie. Jegliche Farbe wich aus ihrem Gesicht, das milde Rot verblaßte, und für einen Sekundenbruchteil starrte er in das hagere, elende Gesicht einer alten Frau. »Doktor«, hauchte sie. »Bitte nicht.«
Er zog die Tür auf.
Sofort war sie bei ihm. Ihre Finger harkten über sein Gesicht, zerkratzten seine Haut, krallten nach seinen Augen. Instinktiv fuhr sein Arm hoch, und er schleuderte sie zurück. Aber sie klammerte sich an ihm fest, zog ihn herunter, zerrte mit ihrer ganzen Kraft und mit dem Gewicht ihres Körpers an ihm. Ihre weißen Zähne blitzten, und sie biß ihn wie eine Furie in den Hals. Mit der anderen Hand schlug er ihr ins Gesicht. Sie stieß ein heiseres Keuchen aus und fiel zurück.
Hastig verließ er das Apartment und trat in den Flur hinaus.
»Halt!« fauchte sie und jagte hinter ihm her. Sie zog etwas aus ihrer Bluse, ein schlankes Metallrohr … Er sah sie und schlug zu. Seine Faust erwischte sie an der Kieferseite, aber der schlimmsten Wucht des Schlages hatte sie ausweichen können. Ihre Augen wurden vor Schmerzen glasig, aber sie fiel nicht. Das Rohr schwankte, und er wollte sie packen. Sie zuckte zurück, weg von ihm, und er sah das Rohr auf sich gerichtet und dazu den Ausdruck auf Loris’ Gesicht. Das Leiden. Sie hob die Hand, zog sie zurück, schleuderte das Energierohr auf ihn und schluchzte.
Das Rohr fiel dicht vor seinen Füßen zu Boden und rollte davon.
»Zur Hölle mit dir«, stöhnte sie, wobei sie ihr Gesicht mit den Händen bedeckte. Sie drehte sich um, wandte ihm den Rücken zu, und er sah die Zuckungen, die sie quälten. »Geh schon«, schrie sie und fuhr wieder zu ihm herum, während Tränen über ihre Wangen strömten.
Schnell rannte er den Flur in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren. Er trat in den dunklen Hof hinaus. Dort sah er undeutlich den Umriß des Zeitschiffes. So schnell wie
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