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Schachfigur im Zeitspiel

Schachfigur im Zeitspiel

Titel: Schachfigur im Zeitspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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auf den Anblick vor, rechnete auf Sekunden herunter und brachte das Schiff an den Zeitpunkt, der unmittelbar dem Augenblick folgte, in dem er aufgebrochen war. Es würde keine Lücken geben. Er würde während des ganzen Verlaufs anwesend sein. Es muß gleich darauf passiert sein, entschied er. Sobald ich weg war, ist jemand anders hereingekommen. Jemand hat die Zimmertür geöffnet und ist hereingehuscht. Möglicherweise haben sie mich gesehen … Er oder sie haben abgewartet, bis ich verschwunden war.
    Er warf die Kontrollen auf Aus , sprang hoch, rannte zur Tür des Schiffes, öffnete sie und blickte in das Zimmer hinaus.
    Neben dem Bett standen zwei Personen, ein Mann und eine Frau, die sich über Coriths ausgestreckten Körper beugten. Der Arm des Mannes sauste hoch, kam ruckartig wieder herunter, und die Tat war vollbracht. Schnell huschten der Mann und die Frau vom Bett weg, lautlos, bereits auf der Flucht. Sie verschwendeten keine Zeit, ihre Bewegungen waren geschickt und methodisch. Offenbar war jeder Schritt lange im voraus sorgfältig geplant worden. Sie drehten sich um und wandten ihm ihre straffen, angespannten Gesichter zu.
    Er hatte keinen von ihnen jemals zuvor gesehen. Der Mann und die Frau waren ihm völlig fremd.
    Sie waren jung, kaum älter als achtzehn oder neunzehn, mit entschlossenen, ebenmäßigen Gesichtern, und ihre Haut war fast so hell wie seine eigene. Die Haare der Frau waren weizenfarben, die Augen blau. Der Mann, etwas dunkler, hatte buschige Augenbrauen und fast schwarzes Haar. Aber sie hatten beide dieselben feingezeichneten Wangenknochen und ausdrucksstark geformten Kieferlinien, er sah die Ähnlichkeit zwischen ihnen, das Funkeln, die Wachsamkeit und Klarheit in ihrem Blick, die hohe Intelligenz.
    Die Frau – oder das Mädchen – erinnerte ihn an Loris. Sie hatte Loris’ Haltung, ihre wohlgeformten Schultern und Hüften. Und auch der Körper des Mannes wies vertraute Linien auf.
    »Hallo«, sagte das Mädchen.
    Beide trugen sie die grauen Kleider des Wolfs-Clans, jedoch nicht das Emblem. Auf dem Brustteil ihrer Kleider war ein neues Emblem eingestickt: überkreuzte Schlangen, die sich an einem von ausgebreiteten Flügeln gekrönten Stab emporwanden. Der Äskulapstab. Das alte Zeichen des Ärztestandes.
    Der Junge sagte: »Wir sollten so schnell wie möglich von hier verschwinden, Doktor. Nimmst du meine Schwester in deinem Schiff mit?« Er zeigte auf etwas, und Parsons sah neben seinem Schiff eine zweite, identische Metallkugel, deren Tür offenstand. »Wir treffen uns später in der Zeit … Grace kennt die Stelle.« Er lächelte Parsons kurz zu, als er an ihm vorbei und zu seinem eigenen Schiff stürmte. Die Tür schloß sich hinter ihm, und das Schiff verschwand sofort.
    »Bitte Doktor«, sagte das Mädchen eindringlich und berührte seinen Arm. »Läßt du mich die Kontrollen bedienen? So geht es schneller, als wenn ich dir Anweisungen geben muß …« Sie hatte sich bereits an ihm vorbeigedrängt. Er zuckte mit den Schultern und sah zu, wie sie die Tür schloß.
    Nach einer Pause sagte Parsons: »Wie geht es deiner Mutter?«
    »Du wirst sie sehen«, erwiderte das Mädchen. »Es geht ihr gut.«
    »Ihr seid Loris’ Kinder … aus der Zukunft.«
    »Und deine Kinder«, sagte das Mädchen. »Dein Sohn und deine Tochter.«

 
17
     
    Während das Zeitschrift in die Zukunft glitt, verstand Parsons endlich, weshalb Loris ihre Meinung geändert hatte. Weshalb sie seinetwegen nach Nova Albion zurückgekehrt war, obwohl sie wußte, daß er ihren Vater getötet hatte.
    Im folgenden Monat hatte sie entdeckt, daß sie schwanger war. Möglicherweise war sie sogar in die Zukunft gereist und hatte ihre Kinder gesehen. Auf jeden Fall aber hatte sie die Kinder zur Welt kommen lassen. Sie hatte die Zygoten nicht entfernen lassen und heimlich in den großen Seelenquader gesteckt, damit sie mit den Hunderten von Millionen verschmolzen, die bereits darin aufbewahrt wurden.
    Als ihm das klarwurde, empfand er ihr gegenüber eine tiefe, demütige Dankbarkeit, gleichzeitig jedoch auch Stolz.
    »Wie heißt dein Bruder?« fragte er das Mädchen. Seine Tochter, stellte er mit einer weiteren Vertiefung seiner Regung fest.
    »Nathan. Sie – unsere Mutter – wollte, daß wir Namen tragen, denen du zustimmen würdest.« Sie hob den Kopf und betrachtete ihn. »Meinst du, wir sehen dir ähnlich? Hättest du uns erkannt?«
    »Ich weiß nicht«, sagte er. Im Moment war er zu überwältigt, um darüber

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