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Schadensersatz

Schadensersatz

Titel: Schadensersatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Rechten stand ein ernst wirkender Junge in Uniform, offensichtlich sein Sohn. Das Bild war zwei Jahre alt.
    Murray hatte ein paar Fotos von McGraw mitgebracht, eines davon vor einem Bundesgerichtssaal aufgenommen, das ihn in streitbarer Pose vor drei Beamten des Schatzamtes zeigte. Ein weiteres, unter glücklicheren Umständen vor neun Jahren entstanden, dokumentierte die Galaveranstaltung anlässlich seiner ersten Wahl zum Präsidenten der Scherenschleifer-Gewerkschaft. Am besten geeignet für meine Zwecke war jedoch eine Porträtaufnahme, die offenbar ohne sein Wissen gemacht worden war. Er wirkte entspannt, aber konzentriert.
    Ich hielt sie Murray hin. »Die hier ist hervorragend. Wo ist sie gemacht worden?«
    Murray lächelte. »Hearings im Senat zum Thema Gangstertum und Gewerkschaften.«
    Kein Wunder, dass er so nachdenklich wirkte.
    Ein Kellner trat an unseren Tisch, um die Bestellung aufzunehmen. Meine Wahl fiel auf Mostaccioli, Murray hatte sich für Spaghetti mit Fleischklößchen entschieden. Ich musste unbedingt mein Lauftraining wieder aufnehmen - Muskelkater hin oder her - bei all den Kohlehydraten, von denen ich mich in letzter Zeit ernährte.
    »Und nun, V. I. Warshawski, schönste aller Detektivinnen in Chicago, was hat es mit diesen Bildern auf sich?«, begann Murray, die Hände auf dem Tisch verschränkt, und lehnte sich zu mir herüber. »Ich entsinne mich, dass der ermordete Peter Thayer für Ajax gearbeitet hat, genauer gesagt für Mr. Masters, einen alten Freund der Familie. Den Tausenden von Zeilen, die seit seinem Tod in unermüdlicher Folge erschienen sind, habe ich außerdem entnommen, dass es sich bei seiner Freundin, der liebreizenden und hingebungsvollen Anita McGraw, um die Tochter des allseits bekannten Gewerkschaftsführers Andrew McGraw handelt. Du willst jetzt von beiden ein Bild. Unterstellst du möglicherweise, dass sie beide beim Tod des jungen Thayer ihre Hände im Spiel hatten, und eventuell auch beim Tod seines Vaters?«
    Ich sah ihn ernst an. »Es hat sich folgendermaßen abgespielt, Murray: McGraw empfindet abgrundtiefen, krankhaften Hass auf die kapitalistischen Bonzen. Als er gewahr wurde, dass seine tugendhafte Tochter, die er allezeit vor jeglichen Kontakten zum Management behütet hatte, ernsthaft in Betracht zog, nicht nur einen Bonzen zu heiraten, sondern sogar den Sohn eines der reichsten Geschäftsleute in ganz Chicago, erkannte er den einzigen Ausweg darin, den jungen Mann zwei Meter tief unter die Erde zu bringen. Seine Psychose trieb ihn auch zu dem Entschluss, John Thayer gleichfalls zu eliminieren, für den Fall...«
    »Erspar mir den Rest«, bat Murray. »Ich kann ihn mir selbst zusammenreimen. Wer von beiden ist nun dein Auftraggeber, McGraw oder Masters?«
    »Eigentlich müsstest du das Essen übernehmen, Murray. Für dich wären es einwandfrei Spesen.«
    Der Kellner brachte das Essen; er knallte es uns auf jene hastige und lieblose Weise hin, die typisch ist für Lokale, in denen mittags geschäftliche Besprechungen stattfinden. Es gelang mir, die Aufnahmen gerade noch vor der Spaghettisoße in Sicherheit zu bringen. Dann bestreute ich meine Pasta mit Käse - ich liebe Käsegeschmack.
    »Hast du einen Auftraggeber?«, fragte er, während er ein Fleischklößchen aufspießte.
    »Ja.«
    »Aber du willst mir seinen Namen nicht verraten?« - Ich lächelte bestätigend.
    »Nimmst du denen Mackenzie als Mörder von Thayer junior ab?«, fragte Murray.
    »Ich habe noch nicht mit dem Mann gesprochen. Man muss sich aber schon fragen, wer Thayer senior umgebracht hat, falls Mackenzie den Sohn auf dem Gewissen hat. Ich kann mich nicht mit der Vorstellung anfreunden, dass zwei Familienmitglieder in derselben Woche aus völlig verschiedenen Motiven heraus von verschiedenen Leuten umgebracht werden; die Gesetze des Zufalls sprechen dagegen«, erwiderte ich. »Was hältst du davon?«
    Er lächelte. »Ich habe mit Lieutenant Mallory gesprochen, nachdem der Fall bekannt geworden war, und er hat nichts von einem Raubüberfall erwähnt. Du hast doch die Leiche gefunden. Hat die Wohnung nach Plünderung ausgesehen?«
    »Ich konnte nicht feststellen, ob irgendetwas fehlte - ich wusste ja nicht, was vorher vorhanden war.«
    »Was hattest du übrigens dort zu tun?«, fragte er beiläufig.
    »Heimweh, Murray. Ich habe dort studiert, und ich wollte die alten Gemäuer einmal wieder sehen.«
    Murray lachte. »Na gut, Vic, eins zu null für dich. Du nimmst mir's bestimmt nicht übel,

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