Schadensersatz
Einbrechern auf Grund ihrer gesellschaftlichen Unterdrückung ein Anrecht auf ihre Beute zu und wären andererseits bis ins Mark erschüttert, würde man ihnen zumuten, selbst ein Maschinengewehr in die Hand zu nehmen.
Ich ließ mir eine Cola geben und zog mich damit in eine dunkle Ecke zurück. Die Stühle waren nicht sehr bequem, doch ich zog meine Knie bis unters Kinn hoch und lehnte mich gegen die Wand. Ein gutes Dutzend Studenten saß um die wackligen Tische gruppiert; einige versuchten, trotz der miserablen Beleuchtung zu lesen, die meisten unterhielten sich. Ich fing Gesprächsfetzen auf: »Wenn man es natürlich von der dialektischen Seite her betrachtet, gibt es für sie nur eine einzige Möglichkeit -«; »Ich habe zu ihr gesagt, wenn du dich nicht durchsetzt, dann wird er -«; »Klar, aber Schopenhauer sagt -«. Dann nickte ich ein.
Wenige Sekunden später wurde ich von einer lauten Stimme aufgeschreckt: »Habt ihr schon von Peter Thayer gehört?« Ich blickte auf. Die Worte kamen von einer pummeligen jungen Frau mit ungebärdigem roten Haar und einer schlecht geschnittenen Bauernbluse. Sie hatte den Raum gerade betreten, warf ihre Büchertasche auf den Boden und ließ sich an einem Dreiertisch in der Mitte nieder. »Ruth Yonkers hat es mir eben erzählt, als ich aus der Vorlesung kam.«
Ich erhob mich, um noch eine Cola zu kaufen, und setzte mich dann an einen Tisch hinter der Rothaarigen.
Ein Hagerer mit genauso widerspenstigen, aber dunklen Haaren sagte: »Ja, richtig, die Polypen haben sich heute Früh massenweise in der Verwaltung Politische Wissenschaften herumgetrieben. Er hat ja mit Anita McGraw zusammengelebt, und sie ist seit Sonntag nicht mehr gesehen worden. - Weinstein hat's ihnen ganz schön gegeben«, fügte er voller Bewunderung hinzu.
»Die glauben wohl, sie hat ihn umgebracht?«, meinte der Rotschopf.
Eine etwas ältere Dunkelhaarige schnaubte verächtlich. »Anita McGraw? Ich kenne sie seit zwei Jahren. Die würde höchstens einen Bullen beleidigen, aber doch nicht ihren Freund erschießen.«
»Hast du ihn gekannt, Mary?«, flüsterte die Rothaarige.
»Nein«, erwiderte Mary kurz. »Ich bin ihm nie begegnet. Anita ist Mitglied der Universitäts-Frauengruppe, daher kenne ich sie, ebenso wie Geraldine Harata, die mit in ihrer Wohnung wohnt. Geraldine ist aber den Sommer über nicht da. Wäre sie hier gewesen, dann hätten die Bullen vermutlich sie verdächtigt. Sie halten sich immer zuerst an die Frauen.«
»Mich überrascht, dass ihr sie in die Frauengruppe aufgenommen habt, da sie doch einen Freund hatte«, warf ein bärtiger junger Mann ein. Er war schwergewichtig und schlampig angezogen; sein klaffendes T-Shirt enthüllte einen hässlichen fetten Bauch.
Mary sah ihn hochmütig an und zuckte die Achseln.
»Nicht jede in der Frauengruppe ist lesbisch«, meinte der Rotschopf schnippisch.
»Schwer verständlich angesichts der Tatsache, dass es zahlreiche Männer von Bobs Sorte gibt«, bemerkte Mary in gedehntem Ton. Der schwabbelige junge Mann wurde rot und murmelte etwas vor sich hin, von dem ich nur das Wort »kastrierend« mitbekam.
»Aber ich habe Anita nicht kennen gelernt«, fuhr die Rothaarige fort. »Ich gehe erst seit Mai zu den Veranstaltungen der Gruppe. Ist sie tatsächlich verschwunden, Mary?«
Mary hob wieder die Schultern. »Es würde mich überhaupt nicht wundern, wenn diese Schweine versuchen sollten, ihr den Mord an Peter Thayer in die Schuhe zu schieben.«
»Vielleicht ist sie heimgefahren«, gab Bob zu bedenken.
»Nein«, entgegnete der Hagere. »Wäre das der Fall, dann hätte die Polizei doch nicht hier nach ihr gesucht.«
»Nun«, meinte Mary schließlich, »ich für meinen Teil hoffe, dass sie sie nicht kriegen.« Sie stand auf. »Ich muss jetzt los und mir Bertrams Gedöns über die Kultur des Mittelalters anhören. Wenn er wieder so dämliche Witze über Hexen und hysterische Frauen vom Stapel lässt, dann kann es sein, dass nach der Vorlesung mal einige über ihn herfallen.«
Sie warf sich ihren Matchsack über die linke Schulter und schlenderte davon. Die übrigen rückten enger zusammen und begannen, angeregt über die Vorzüge homosexueller und heterosexueller Beziehungen zu diskutieren. Der arme Bob bevorzugte letztere, schien allerdings nicht häufig Gelegenheit zu haben, aktiv für seine Meinung einzutreten. Der Hagere dagegen machte sich zum leidenschaftlichen Fürsprecher lesbischer Liebe. Amüsiert hörte ich zu. Collegestudenten
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