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Schadensersatz

Schadensersatz

Titel: Schadensersatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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schüttelte ihn ein wenig. »Und nun sagst du mir, wo ich Harold Weinsteins Büro finden kann.«
    »Du brauchst ihr überhaupt nichts zu sagen, Howard«, mischte sich eine Stimme hinter mir ein. »Und Sie brauchen sich nicht zu wundern«, meinte er an meine Adresse gerichtet, »wenn Polizei und Faschismus in den Augen der Studenten das Gleiche ist; ich habe gesehen, wie Sie auf den Jungen losgegangen sind.«
    Die Worte kamen von einem dürren Mann mit hitzigen braunen Augen und einem ungebändigten Haarschopf. Sein blaues Baumwollhemd steckte säuberlich im Bund khakifarbener Jeans.
    »Mr. Weinstein?«, fragte ich äußerst freundlich und ließ Howards Hemd los. Mit düsterem Blick, die Hände auf die Hüften gestützt, starrte er mich an. Es wirkte sehr edel. »Ich bin nicht von der Polizei; ich bin Privatdetektivin. Und wenn ich jemandem eine vernünftige Frage stelle, hätte ich auch gern eine vernünftige Antwort statt eines arroganten Achselzuckens. Anitas Vater, Andrew McGraw, hat mich beauftragt, sie zu suchen. Wir haben beide das Gefühl, dass sie sich in ernstlichen Schwierigkeiten befinden könnte. Gehen wir irgendwohin und reden über die Sache?«
    »Sie haben also ein Gefühl«, entgegnete er düster. »Ja, dann gehen Sie besser und fühlen irgendwoanders. Wir legen keinen Wert auf Polizei auf dem Universitätsgelände - egal, ob staatlich oder privat.« Er wandte sich um und schickte sich an, den Korridor wieder hinunterzustaksen.
    »Ausgezeichnet gespielt«, sagte ich anerkennend. »Sie haben Al Pacino gut studiert. Wenn Ihr Gefühlsausbruch jetzt beendet ist, könnten wir doch über Anita reden, oder?«
    Sein Nacken lief rot an. Die Röte stieg hinauf bis in die Ohren, aber er blieb stehen. »Was ist mit ihr?«
    »Sicherlich wissen Sie, dass sie verschwunden ist, Mr. Weinstein. Möglicherweise ist Ihnen auch bekannt, dass ihr Freund Peter Thayer tot ist. Ich hoffe, sie zu finden und zu verhindern, dass ihr dasselbe Schicksal widerfährt.« Hier machte ich eine kleine Pause, um ihm Gelegenheit zu geben, meine Worte zu verarbeiten. »Meiner Ansicht nach versteckt sie sich irgendwo und glaubt, dass Peters Mörder sie dort nicht aufspüren wird. Allerdings befürchte ich, dass sie einem ganz üblen Killertyp über den Weg gelaufen ist. Einem von der Sorte, bei denen Geld keine Rolle s pielt und die deswegen an beinahe jedes Versteck herankommen.«
    Er wandte sich ein wenig zurück, sodass ich sein Profil sehen konnte. »Keine Sorge, Philip Marlowe - ich lass mich nicht kaufen. Auf die Weise erfährt von mir keiner ihren Aufenthaltsort.«
    Ich überlegte mir hoffnungsvoll, ob man ihn wohl zum Reden bringen konnte, wenn man ihn ein wenig folterte. Laut sagte ich: »Wissen Sie, wo sie sich befindet?«
    »Kein Kommentar.«
    »Kennen Sie einige ihrer hiesigen Freunde?«
    »Kein Kommentar.«
    »Herrgott, Sie sind wirklich eine große Hilfe, Mr. Weinstein - genau das, was ich mir unter einem tollen Professor vorstelle. Schade, dass Sie nicht hier gelehrt haben, als ich zur Uni ging.« Ich zog meine Visitenkarte hervor und überreichte sie ihm. »Sollten Sie je einen Kommentar abzugeben haben, so rufen Sie mich unter dieser Nummer an.«
    Draußen in der Hitze fühlte ich mich niedergedrückt. Mein dunkelblaues Seidenkostüm war zwar hinreißend, aber bei dieser Temperatur einfach zu warm; ich schwitzte unter den Armen und ruinierte vermutlich den Stoff. Zudem schien mir jeder, dem ich über den Weg lief, feindlich gesinnt. Ich wünschte, ich hätte Howard die Visage poliert.
    Vor dem Unigebäude stand eine kreisförmige Sandsteinbank. Ich ging hinüber und setzte mich. Vielleicht sollte ich diesen blöden Auftrag zurückgeben. Industriespionage lag mir weit mehr als korrupte Gewerkschaften und eine Horde von Rotzgören. Vielleicht sollte ich mit McGraws tausend Dollar einen Sommerurlaub auf der Michigan-Halbinsel verbringen? Das brachte ihn unter Umständen so in Wut, dass er mir jemanden mit weißen Gamaschen nachhetzte.
    Unmittelbar hinter mir lag das Divinity College. Ich seufzte, erhob mich mühsam und flüchtete in den kühlen Steinbau. In einer Cafeteria im Untergeschoss gab es zu meiner Zeit immer aufgewärmten Kaffee und lauwarme Limonade. Ich stieg die Treppen hinab und fand alles noch so vor wie früher. Diese Kontinuität und die nach wie vor jungen Gesichter hinter der provisorischen Theke hatten etwas Beruhigendes. Auf freundliche und naive Art vertraten sie zahlreiche Dogmen der Gewalt, gestanden

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