Schadensersatz
beiseite und stürmte ins Zimmer. Ich stand hinter Lucy und sah über ihre Schulter in einen überaus reizvollen Raum mit Fenstern an drei Seiten. Im Osten ging der Blick hinaus auf den See, im Norden auf eine herrliche Rasenfläche und einen Rasen-Tennisplatz. Der Raum war mit weißen Rattanmöbeln ausgestattet, Kissen, Stehlampen und Bodenbelag setzten muntere Farbakzente in Rot und Gelb. Unzählige Blattpflanzen erweckten den Eindruck, man befände sich in einem Wintergarten.
Mittelpunkt der hinreißend attraktiven Szenerie war Mrs. Thayer. Selbst ohne Make-up und mit ein paar Tränenspuren auf den Wangen war sie sehr hübsch und ohne Schwierigkeit als das Original des gestrigen Fotos im Herald-Star wieder zu erkennen.
Eine entzückende junge Frau, die ältere Ausgabe von Jill, saß fürsorglich an ihrer Seite und ihr gegenüber ein gut aussehender, etwas verlegen wirkender junger Mann mit Polohemd und karierter Hose.
»Bitte, Jill. Ich verstehe kein Wort von dem, was ihr beide, du und Lucy, von euch gebt, aber schrei nicht, Darling, das halten meine Nerven nicht aus.«
Ich trat an Lucy vorbei ins Zimmer und begab mich hinüber zu Mrs. Thayers Couch.
»Mrs. Thayer, was mit Ihrem Mann und Ihrem Sohn passiert ist, tut mir aufrichtig leid«, sagte ich. »Mein Name ist V.l. Warshawski. Ich bin Privatdetektivin. Ihre Tochter bat mich heute Früh, hierher zu kommen, um ihr auf irgendeine Weise zu helfen.«
Der junge Mann antwortete mir, das Kinn angriffslustig vorgereckt. »Ich bin Mrs. Thayers Schwiegersohn, und ich glaube ohne weiteres sagen zu können, dass Sie hier vermutlich nicht erwünscht sind, wenn mein Schwiegervater Sie am Samstag rausgeschmissen hat.«
»Jill, hast du sie angerufen?«, fragte die junge Frau schockiert.
»Ja«, erwiderte Jill trotzig. »Und du kannst sie nicht hinauswerfen, Jack. Es ist nämlich nicht dein Haus. Ich habe sie gebeten herzukommen, und ich habe sie beauftragt herauszufinden, wer Paps und Pete ermordet hat. Sie meint, dass es jedes Mal derselbe Täter war.«
»Also wirklich, Jill«, wandte die junge Frau ein, »ich finde, wir können das der Polizei überlassen und müssen Mutter nicht noch zusätzlich aufregen, indem wir bezahlte Detektive ins Haus bringen.«
»Genau das versuche ich ihr die ganze Zeit begreiflich zu machen, Mrs. Thorndale, aber natürlich hört sie nicht auf mich.« Das kam von der triumphierenden Lucy.
Jills Gesicht verzog sich wieder, so als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. »Reg dich nicht auf, Jill«, sagte ich. »Wir wollen das Ganze doch nicht noch schlimmer machen. Wie wär's, wenn du mir die Anwesenden erst mal vorstellen würdest?«
»Entschuldigung.« Sie schluckte. »Das sind meine Mutter, meine Schwester Susan Thorndale und Jack, ihr Mann. Und Jack ist der Meinung, weil er Susan rumkommandieren kann klappt das auch bei mir, aber ...«
»Ruhig Blut, Jill!« sagte ich und legte ihr meine Hand auf die Schulter.
Susans Gesicht war puterrot. »Jill, wenn du die ganzen Jahre nicht so entsetzlich verwöhnt worden wärst, würdest du sicher jemandem wie Jack, der viel erfahrener ist als du, etwas mehr Respekt entgegenbringen. Ist dir überhaupt klar, wie sich die Leute über Paps das Maul zerreißen werden - über die Art und Weise, wie er ums Leben kam? Die ganzen Umstände lassen auf einen Fall von Verbrecherjustiz schließen, und es muss für die Leute so aussehen, als habe Paps zu den Gangstern gehört.« Beim letzten Satz kippte ihr fast die Stimme um.
»Bandenverbrechen«, warf ich ein. Susan sah mich verständnislos an. »Die Umstände lassen eher auf einen Fall von organisiertem Bandenverbrechen schließen. Es mag zwar einige Gangs geben, die sich auf diese Art der Exekution spezialisiert haben, im Allgemeinen aber fehlen ihnen dazu die Verbindungen und die finanziellen Mittel.«
»Nun hören Sie mir mal zu«, sagte Jack wütend. »Wir haben Sie bereits aufgefordert zu verschwinden. Warum gehen Sie also nicht, anstatt uns hier weise Reden zu halten! Wie Susan ganz richtig gesagt hat, es wird schwierig genug werden, für die Umstände von Mr. Thayers Tod eine Erklärung parat zu haben. Sollen wir vielleicht jetzt auch noch erklären, weshalb wir eine Privatdetektivin eingeschaltet haben?«
»Sind das deine einzigen Sorgen?«, rief Jill. »Was die Leute reden? Dass Pete und Vater tot sind, kümmert dich wohl überhaupt nicht?«
»Niemand bedauert es mehr als ich, dass Peter erschossen wurde«, entgegnete Jack. »Aber wenn er
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