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Schadrach im Feuerofen

Schadrach im Feuerofen

Titel: Schadrach im Feuerofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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mal gefragt, warum die Mitglieder des Revolutionsrates und die Spitzen der Regierung meistens anderswo tagen und sich beim Vorsitzenden vertreten lassen? Weil sie wissen, daß er bei all seinen unbestreitbaren Verdiensten immer stärker von seinen paranoiden Wahnvorstellungen beherrscht wird, und so sind sie bemüht, ihn mehr und mehr aus den Entscheidungen der praktischen Politik herauszuhalten. Der Regierungspalast hier ist ein Ort für Verrückte, und ich sage das im Ernst, Doktor. Der Chef der Irrenanstalt ist der verrückteste von allen, und die Leute um ihn sind entweder auch Verrückte, oder sie geben sich den Anschein. Da passen Sie einfach nicht hinein. Können Sie sich etwas Verrückteres vorstellen, als einen neunzigjährigen mongolischen Revolutionshelden, der nur noch daran denkt, wie er sein Leben verlängern kann, und zu diesem Zweck zu den haarsträubendsten Mitteln greift? Soll das Vernunft sein? Wer ihn in solchen Wahnideen noch unterstützt und bestärkt, der macht sich mitschuldig, und das gilt genauso für Sie als seinen Leibarzt, wie es für die Crowfoots und Lindmans gilt, die sich für die hirnverbrannte Unmenschlichkeit seiner Pläne hergeben. Und denken Sie an die Organfarmen? Die sind eine weitere Ausgeburt seiner Wahnidee vom ewigen Leben. Jeder, der anfängt, sich mit diesen Dingen abzufinden und sie als normale Gegebenheiten anzusehen, muß ein Verrückter sein, und seien wir ehrlich, so verhält es sich mittlerweile bei uns allen. Avogadro, Horthy, Lindman, Crowfoot, Ionigylakis, ich, die ganze Mannschaft des verrückten Alten. Sie sind die einzige Ausnahme. So ernst, so gewissenhaft. Sie tun nur ihre Arbeit, setzen dem Alten eine neue Leber und eine neue Schlagader ein, ohne mit der Wimper zu zucken, ohne sich jemals an den Kopf zu fassen und zu fragen, wozu das alles gut sein soll, ohne die Verrücktheit auch nur zu erkennen, weil Sie so unerfahren und zugleich vernünftig sind. Warhaftig rechne ich nicht dazu, der ist entweder ein Roboter oder ein Wahnsinniger, aber Sie, Mordechai, voll von unheimlichen mikroelektronischen Geräten und nicht einmal davon aus der Fassung gebracht! Haben Sie nie das Bedürfnis, zu schreien und sich aufzulehnen? Müssen Sie alles akzeptieren? Akzeptieren Sie sogar die Idee, daß der verrückte Alte sich anschickt, Sie aus Ihrem eigenen Schädel zu vertreiben? Wollen Sie…« Cifolia hält plötzlich inne, atmet pustend aus und zügelt sich mit einer Serie krampfartiger Zuckungen der Gesichtsmuskeln. Dann sagt er ruhiger und in einer völlig veränderten Stimme: »Wirklich, Doktor Mordechai, Sie sind in großen Schwierigkeiten. Sie sollten verschwinden, solange Sie es noch können.«
    Schadrach schüttelt den Kopf. »Verstecken ist nicht meine Art.«
    »Ist es Sterben?«
    »Auch nicht. Aber ich werde mich nicht verstecken. Das liegt mir nicht. Wir Schwarzen haben genug davon. Die alten Zeiten, als wir entlaufene Sklaven waren und uns verstecken mußten, sind für immer vorbei.«
    »Wir Schwarzen haben genug davon«, imitiert ihn Cifolia in rau kreischendem Ton. »Du meine Güte! Vielleicht habe ich Sie unterschätzt. Vielleicht sind Sie genauso verrückt wie der Rest von uns. Der Chef hat Sie zum Untergang bestimmt, und Sie stellen Rassenstolz über Ihr eigenes Überleben. Bravo, Mordechai! Sehr edel. Sehr dumm.«
    »Wohin könnte ich gehen? Das Überwachungssystem wird mich überall ausfindig machen. Mit Hilfe von Geräten übrigens, die Sie für den Sicherheitsdienst entwickelten, Cifolia.«
    Der zuckt die Achseln. »Es gibt Mittel und Wege.«
    »Soll ich mich verkleiden? Meine Haut weiß anstreichen? Eine blonde Perücke tragen?«
    »Sie könnten genauso verschwinden, wie Buckmaster es tat.«
    Schadrach hustet. »Mit solch krankhaftem Humor kann ich jetzt nichts anfangen, Cifolia.«
    »Ich spreche nicht von Organfarmen, ich spreche von Verschwinden. Wir haben Buckmaster verschwinden lassen. Wir könnten das gleiche für Sie tun.«
    »Buckmaster ist nicht tot?«
    »Lebendig und wohlauf. Im Einverständnis mit Angehörigen der Revolutionsrates veränderten wir am Tag der Verurteilung das Personalregister. Die Unterlagen zeigen, daß Roger Buckmaster an dem und dem Tag zur Organfarm geschickt und dort in Nährlösung eingelegt wurde. Wenn so etwas erst im Computer eingespeichert ist, dann ist es wirklicher als wirklich. Maschinenrealität ist Realität höherer Ordnung. Wenn Buckmaster eines schönen Tages gesehen und wiedererkannt wird, dann wird der

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