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Schadrach im Feuerofen

Schadrach im Feuerofen

Titel: Schadrach im Feuerofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Computer die Angaben als Unsinn zurückweisen, weil Buckmaster als tot bekannt ist, und weil Tote bekanntermaßen nicht herumlaufen.«
    »Wo ist er?«
    »Das spielt jetzt keine Rolle. Wichtig ist allein, daß wir ihn retteten und daß wir auch Sie retten könnten.«
    »Wir? Wer ist >wir    »Das spielt jetzt auch keine Rolle. Wie ich sagte, wir haben die Unterstützung einflußreicher Mitglieder des Revolutionsrates, denen die Verrücktheiten des Vorsitzenden längst zu weit gehen.«
    »Soll ich das alles wirklich glauben, Cifolia?«
    »Nein, natürlich nicht. Es sind alles Lügen. In Wirklichkeit bin ich ein Agent des Vorsitzenden und versuche Sie in die Falle zu locken. Herrgott, Mordechai, gebrauchen Sie Ihren Verstand! Glauben Sie, ich versuchte Sie in Schwierigkeiten zu bringen? Sie stecken schon bis zum Hals drin. Ich riskiere hier meinen Arsch, und Sie…«
    »Schon gut. Lassen Sie mich überlegen.«
    »So überlegen Sie schon.«
    »Sie machen Ihren Hokuspokus, und ich verschwinde. Nun bin ich ohne Identität und ohne Beruf. Kann ich Medizin praktizieren, wenn ich mich in irgendeinem Kellerloch verstecke? Ich habe immer die Berufung zum Arzt gefühlt. Vielleicht nicht zum Leibarzt des Vorsitzenden, aber zum Arzt, Cifolia. Wenn ich nicht in meinem Beruf arbeiten kann, bin ich niemand, bin ich eine Vergeudung von Talent und Geschicklichkeit. In meinen eigenen Augen werde ich eine Null sein. Hat es irgendeinen Sinn, in ein solches Leben zu verschwinden? Und wie lange würde ich im Untergrund leben müssen? Wenn ich die nächsten zwanzig Jahre meines Lebens eingeschlossen in einem Keller verbringen müßte, würde ich nicht viel schlimmer dran sein, wenn ich mich für das Avatara-Projekt gebrauchen ließe. Vielleicht besser.«
    »Sie würden außer Sicht bleiben müssen, bis der Vorsitzende stirbt. Aber danach wäre alles ausgestanden.«
    »Danach? Von welchem Danach reden Sie? Der alte Mann kann gut und gern noch fünfzig Jahre leben, bei dieser Betreuung. Ich nicht. Nicht im Untergrund.«
    »Er auch nicht«, sagt Cifolia mit einem seltsam drohenden Unterton.
    Schadrach starrt ihn verdutzt an. Er weiß nicht, ob er eine Silbe von alledem glauben soll. Buckmaster am Leben? Cifolia ein Verschwörer? Verschwörer auch im Revolutionsrat? Pläne, den Vorsitzenden zu beseitigen? Eine Unmenge von Fragen bedrängt ihn, Fragen, die nach tausend Antworten verlangen; aber aus den Augenwinkeln sieht er zwei graublau uniformierte Milizionäre, die auf ihrem Patrouillengang die Promenade daherkommen. Also wird es jetzt keine Antworten geben können. Cifolia hat sie auch gesehen, deutet ein Kopfnicken an und sagt: »Denken Sie darüber nach. Machen Sie Ihre Einschätzung und lassen Sie mich wissen, was Sie tun wollen.«
    »In Ordnung.«
    »Haben Sie jemals solches Hochwasser erlebt?«
    »Es war ein ungewöhnlich schneereicher Winter«, sagt Schadrach, als die Milizionäre vorbeischlendern.
     

18
    27. Mai 2012
    Unruhige Träume. Der Mund voll von Spinnweben, die Finger schlagen Wurzeln. Vorahnungen des Todes. Nähert sich das Ende? Krankhafte Gedanken? Aufzuwachen und nicht dazusein. Das gewaltige Hallen der Stille. Es quält mich. Zu erwachen und nicht mehr dazusein. Anderswo zu sein. Oder nirgendwo zu sein, das große schwarze Loch. Je länger man lebt, desto verzweifelter klammert man sich ans Leben: das Leben wird zu einer Gewohnheit, die man sich schwer abgewöhnt. Wie leer würde die Welt sein, wenn ich sie verließe. Paff, kein Vorsitzender mehr. Welch ein Vakuum! Aus allen Weltteilen würden die Winde hereinströmen, um meinen Platz auszufüllen. Von Sturmesstärke.
    Ach ja, ich denke gern über den Tod nach.
    Sterben kann lehrreich sein. Das Sterben kann einem sehr viel über sein wahres Selbst sagen. Ich denke mir, daß Sterben sogar angenehm sein kann. Sterben als Heilserfahrung, ja: der zerschlagene und kranke alte Körper, der mit Freuden seinen Geist aufgibt! Ich kann mir denken, daß es für manche Leute die größte Ekstase ist, die sie je gekannt haben.
    Aber ach! Ich fürchte es.
    Wie werde ich sterben, von welcher Art wird mein Tod sein? Ich glaube, am meisten von allen fürchte ich Meuchelmörder. Die Welt der Lebenden verlassen, ist eine Sache, es ist natürlich und unausweichlich; aus ihr vertrieben zu werden, ist etwas völlig anderes, eine Beleidigung des Selbst. Ich wäre nicht imstande, das Bewußtsein einer solchen Vertreibung zu ertragen. Oder das Gefühl des Übergangs in den Augenblicken vor dem

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