Schäfers Qualen
wissen.
„Einstweilen in U-Haft behalten oder auf freien Fuß setzen … das soll der Untersuchungsrichter entscheiden. Der haut uns schon nicht ab.“
„Gibt es irgendwelche Verdachtsmomente, die auf eine Mittäterschaft anderer Personen schließen lassen?“, brachte sich der Staatsanwalt ins Gespräch.
„Nichts Konkretes. Wir müssen auf jeden Fall überprüfen, wann Kern Gelegenheit hatte, Krassnitzers Waffe in Kranz’ Wohnung zu bringen … da sind wir dran.“
Er schaute in die Runde und wartete einen Moment, ob sich noch irgendwer zu Wort melden wollte.
„Na gut, dann gutes Gelingen.“
Beim Verlassen des Gebäudes schickte Schäfer den stämmigen und fast zwei Meter großen Bruckner vor, der eigentlich gutmütig wie ein Labrador war, sich jedoch einen Blick antrainiert hatte, der in Verbindung mit seiner Körpermasse ein bewährtes Mittel gegen Aufdringlichkeiten war.
„Pressekonferenz heute Abend, achtzehn Uhr, im Saal der Wirtschaftskammer“, rief Schäfer den Journalisten zu und stieg in den Kleinbus.
Nach zehnminütiger Fahrt parkten sie vor dem Haus, in dem Kern eine Wohnung gemietet hatte. Vor der Eingangstür standen zwei uniformierte Beamte, die ihnen die Tür aufhielten. Keine Spur von Reportern, wie Schäfer verwundert feststellte. Sie gingen in den ersten Stock und sperrten die Wohnungstür auf. Nach kurzem Zögern waren sie sich einig, dass Bruckner als Erster eintreten sollte. Eine Vorsichtsmaßnahme, die sich bald als überflüssig herausstellte. Die Wohnung war menschenleer. Und sie machte eher den Eindruck eines Ferienappartements, das gerade einer Endreinigung unterzogen worden war – sauber, penibel aufgeräumt und unpersönlich. Ein paar Bilder, die Kern wohl aus Mitleid mit der leeren Wand aufgehängt hatte. Doch das waren auch schon die einzigen Gegenstände, die gewissermaßen funktionsfrei waren. Schäfer ließ sich von den Beamten der Spurensicherung Latexhandschuhe geben und ging ins Schlafzimmer, während sich seine Kollegen das Wohnzimmer, die winzige Küche und das Bad vornahmen.
Auf einem metallenen Rolltisch stand ein Laptop. Schäfer fuhr ihn hoch und musste feststellen, dass der Computer wie erwartet mit einem Passwort gesichert war. Im Regal hinter dem Schreibtisch stand ein Karton, der mehrere Ordner enthielt. Schäfer nahm sie heraus, stellte sie auf den Boden und setzte sich aufs Bett. Als ob Kern ihm die Arbeit so einfach wie möglich hatte machen wollen, fand Schäfer bereits im ersten Ordner zahlreiche Bilder, Skizzen und handgeschriebene Aufzeichnungen, die zweifelsfrei mit den Morden zu tun hatten. Die Fotos, die er selbst in Hinterholzers Buch gesehen hatte … in schlechterer Qualität, außerdem war fast immer ein Holzrahmen zu sehen … Kern hatte sie wohl beim Skifahren auf den verschiedenen Skihütten, die damit ihre Stuben schmückten, abfotografiert. Zeitungsberichte über eine Firmenfeier … Zwanzig Jahre Autohaus Gasser … amateurhafte und verschwommene Aufnahmen, die Kern wohl mit einem Teleobjektiv aus dem Auto aufgenommen hatte … Krassnitzers Wohnhaus … Steiner auf dem Parkplatz, wie er seinen Rucksack umschnallt … Kranz war nirgends zu sehen … ebenso wenig wie Sonnbichler … hatte Schäfer ihn auf diese Spur gebracht? … und hatte nicht Kern Dienst gehabt in der Nacht, als sich der ehemalige Bürgermeister erhängt hatte? Nein, Baumgartner hatte ihm mitgeteilt, dass er nicht auf dem Revier war … doch hatte er das überprüft … sollte er das überhaupt noch überprüfen?
„Viel mehr als das brauchen wir, glaube ich, nicht“, wandte er sich an seine Kollegen und stellte die Ordner auf den Boden, „den Computer nehmen wir auch mit. Die Kleiderschränke habe ich noch nicht durchsucht. Das überlasse ich gern euch. Wenn es euch nichts ausmacht, gehe ich jetzt.“
„Soll ich Sie nicht fahren?“, fragte Walch.
„Danke … aber ich brauche ein bisschen Bewegung.“
Während er der Ache entlang in Richtung Stadt ging, führte er einen stummen Dialog.
„Auch wenn das jetzt nebensächlich ist: Aber was ist mit meinen Schuhen? Hat das irgendeine Bedeutung, oder war dir einfach danach, als du mich sturzbetrunken ins Hotel hast wanken sehen? Und der Kirchturm: Sollte mir das etwas sagen oder war das einfach eine schaurige Inszenierung? Kim Novak … gut … da habe ich wohl ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen … ich bin einfach neugierig … was du geplant hast und was ich selbst erfunden habe … die Schuhe, da hat
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